Donnerstag, 29. Januar 2015

Vernissage "Porträt auf Schwarz" in der Feuerwache

In der Magdeburger Feuerwache eröffneten heute Elisabeth Heinemann und Jochen P. Heite ihre gemeinsame Ausstellung. Deren Titel, "Porträt auf Schwarz", könnte kaum besser gewählt sein, verknüpft er doch die schwarzweiß fotografierten Porträts, für die Elisabeth Heinemann bekannt ist, mit den großflächigen schwarzen Ölbildern von Jochen P. Heite.

Eröffnung der Ausstellung durch Dagmar Schubert
von der Magdeburger Feuerwache

Betritt man die Galerie Süd im Obergeschoss der Feuerwache, so fallen auf den weißen Wänden als erstes die riesigen schwarzen Quadrate ins Auge. Unübersehbar bestimmen sie den Raum. Erst auf den zweiten Blick werden die Unterschiede deutlich: da ist schwarz nicht gleich schwarz, ergeben sich geometrische Strukturen, Wischeffekte, aufmodellierte Farbschichten, das alles auch abhängig vom Lichteinfall – man sollte wohl unbedingt nochmal bei Tageslicht kommen und sich die Bilder neu anschauen. Wenn es denn stimmt, dass die Eskimos 100 Wörter für Schnee haben, dann hat Jochen P. Heite bestimmt auch ebensoviele für Schwarz.

Elisabeth Heinemann hat in ihren großen und großartigen schwarzweißen Porträts Künstler und Politiker abgebildet. Viele der Porträtierten kennt man aus dem Fernsehen, von der Bühne oder aus dem Kino. Elisabeth Heinemann schafft es, sie unverwechselbar und doch anders darzustellen, als man sie aus den bewegten Bildern kennt. Fotografie ist eine Sache des Augenblicks und als eigentlicher Vorgang in Sekundenbruchteilen getan – es braucht aber sehr viel Zeit, diesen Augenblick zu finden, ihn zu gestalten. Und sehr viel Vertrauen zwischen Fotograf und Fotoobjekt. 

Zur Eröffnung kamen Kunstinteressierte aus Magdeburg und Umgebung, Künstler, Fotografen; auch einige der von Elisabeth Heinemann porträtierten waren gekommen. Die Galerie der Feuerwache war mit über hundert Besuchern mehr als voll. Jochen P. Heite, der sich bei der Eröffnung im Hintergrund gehalten hatte, kam dann gar nicht bis nach vorn durch, um seine Blumen in Empfang zu nehmen. Nach der offiziellen Eröffnung herrschte noch lange ein dichtes Gedränge, fanden sich viele zu Gesprächen zusammen.

Die musikalische Begleitung der Vernissage übernahm die Pianistin Pia-Monika Nittke. Statt einer Laudatio las der Schriftsteller Ludwig Schumann einen Text über "das Bunte und das Un-Bunte" in der Kunst:

Porträt auf Schwarz – Fotografie & Malerei
Elisabeth Heinemann und Jochen P. Heite
Galerie Süd
29.1.2015
Ludwig Schumann

Liebe Elisabeth Heinemann, lieber Jochen P. Heite,
sehr verehrte Gäste der Galerie Süd,

Ich erzähle Ihnen heute einen Versuch.

„Seltsam“, sagte Un, „wenn ich in den Raum sehe, sehe ich für die Ausstellung schwarz.“
„Ach“, antwortet Bunt, „mir fiel nur die Ähnlichkeit auf. Es ist alles so unbunt.“
„Ja“, meint Un, „vielleicht haben die das so gemacht, weil, wo kein Licht ist, auch kein Schatten auf die Ausstellung fallen kann?“
„Das glaube ich nicht“, meint Bunt.
„Dann hätten sie die Ausstellung gar nicht gemacht.“
„Aber bist du sicher, dass uns jemand unter dem Schwarz bemerkt? Dass wir gesehen werden? Ich meine, das ist doch der Sinn einer Ausstellung. Ich habe gedacht, wenn der Heite mich hier hin hängt, dann will er, dass ich gesehen werde.“
„Nein“, meint Bunt, „sicher bin ich mir da nicht. Man muss uns schon suchen. Aber wir sind ja eigentlich auch nur zufällig da, hat er gesagt. Wir haben nicht unbedingt die Bedeutung, dass wir herausgestellt werden müssten. Wir sind ja nicht als Porträt gemalt. Wir geben Heites Schwarz nur eine Struktur, dass man nach Durchsicht der Ausstellung nicht sagen kann: Ich habe heute nur Schwarz gesehen, den ganzen Tag habe ich Schwarz gesehen.“
„Was wäre denn so schlimm dran?“
Schweigen. Un und Bunt schweigen.
„Eigentlich ist das doch seltsam“, setzt Un das Gespräch fort.
„Was meinst du?“, fragt Bunt.
„Dieses Schwarz. Es bringt den Raum zum Schweigen.“
„Fürchtest du dich?“ Bunt blickt besorgt auf den Freund.
„Ich weiß nicht“, weicht der aus.
„Du hast nicht recht“, sagt Bunt, „das Schwarz bringt nicht den Raum zum Schweigen, sondern es bringt eine wunderbare Stille in den Raum. Das ist ein exorbitanter Unterschied.“
„Ein was?“ fragt Un zurück, er überlegt immer noch, was ihm diese Angst in die Seele setzt.
„Ein außerordentlicher Unterschied“, Bunt verdreht die Augen ob der Begriffsstutzigkeit seines Freundes, „will sagen, das ist momentan gerade keine Galerie, sondern ein Meditationsraum.“
„Aus dem einen die Menschenbilder anglotzen.“
„Un!“, Bunt ist empört, „Menschen glotzen nicht. Und diese schon gar nicht. Sie schauen, als wären sie neugierig auf die Stille.“
„Oder als wollten sie wissen, was nach der Stille kommt.“
„Ja, vielleicht.“
„Das macht alles das Schwarz?“
„Ja, Un. Das Schwarz ist ein Zauberer, weil es die Bilder aus der Zeit nimmt.“
„Auch die Menschenbilder?“
„Schau sie dir doch an.“
„Was bedeutet Schwarz für dich, mein Freund Un?“
„Trauer. Guck mal, die schauen auch alle so traurig.“
Bunt schüttelt den Kopf. „Das glaube ich nicht. Ja. Schwarz steht bei uns für Trauer. Aber nicht nur. Schau dir die Porträts bitte mal in Ruhe an. Was siehst du?“
„Porträts in Ruhe.“
„Wie meinst du das?“
„Die Leute wirken auf je verschiedene Art sehr konzentriert. Als wollten sie bei sich sein.“
Bunt nickt. „Das liegt auch an der schwarz-weißen Optik. Sie gibt ihnen eine gewisse Eleganz. Der Betrachter kann sich ihnen in Ruhe nähern.“
„Das liegt auch am Schwarz?“
„Ja.“
„Dann kann sich doch der Betrachter auch uns nähern und entdeckt uns doch hinter dem Schwarz von dem Heite?“
„Vielleicht. Aber das ist Heite nicht wichtig. Heite will sich mit dem Schwarz beschäftigen, weil er sich selber immer mehr aus den Bildern nehmen will.“
„Aber dadurch werden es doch erst recht seine.“
„Ja, Un. Das könnte sein. Es bleibt im Prozess freilich offen, ob Heite mit dem Schwarz spielt, oder das Schwarz mit ihm. Es scheint ein Dialog zu
werden.“
„Was sinnierst du, Un?“ Bunt sorgt sich um seinen Freund. Er steht im Schwarz und sieht hinaus in den Raum, als suche er einen Halt.
„Wusstest du, dass Schwarz eine Unendlichkeit ist?“
„Bei Malewitsch verkörpert es, zusammen mit der Form, dem Quadrat, den Nullpunkt der Malerei.“
„Pierre Soulages aber hat gesagt: `Die Bereiche von Grau und Schwarz ergeben eine ganz bestimmte Qualität ... es gibt da etwas Einzigartiges und Unersetzbares ...`“
„Hm.“
„Was heißt `Hm`?“ fragt Un Bunt.
„Das ist mir zu kompliziert.“
„Was ist daran kompliziert? Nichts ist nicht nichts, sondern der Anfang von etwas.“
„Von was soll das der Anfang sein?“
Jetzt ist es Bunt, der ins Hintertreffen gerät. Aber Un ist in seinem Element: „Was erzählen dir die Porträts?“
Bunt schaut auf das eine, auf das andere, auf das dritte, die Reihe durch. „Leben.“
„Was noch?“
„Sie zeigen Menschen, die für einen Moment bei sich zu sein scheinen.“
„Ja“, sagt Un, „jedes Gesicht ist der Beginn einer Erzählung. Jetzt wäre der Moment, wo Farbe von der Erzählung ablenken würde.“
„Du meinst, ich würde dann die Farbe sehen und nicht mehr die Seelenlandschaften?“
„Ja.“
Jetzt erreicht die Stille des Raums das Gespräch der beiden hinter dem Schwarz.
„Un, ich habe eine verrückte Idee.“
„Die wäre?“
„Wenn jetzt der Betrachter vor Heites schwarzen Wänden steht, dann schaut das Porträt nicht von der Wand, sondern die Seelenlandschaft auf das Schwarz.
„Das ist ja, was Heite wollte. Das Spiel mit dem Betrachter im Raum.“
„Un?“
„Ja.“
„Was ist das?“
1 Stück Butter
1 Tüte Milch
250 g Wurst
1 Brot?
Das ist Frau Schindlers Liste.“
„Bunt, das ist kein Thema für Witze.“
„Den hat Hellmuth Karasek erzählt. Der hat ihn von dem Juden Billy Wilder erzählt bekommen. Das ist schwarzer Humor.“ „Er bewältigt das Böse spielerisch.“
„Meine größte Angst ist, dass sich mein Hirn nicht mehr wehren kann. Ich möchte nie abhängig sein. Ich habe Angst, dass die Unmündigkeit eines Säuglings im Greis zurückkehrt und ich keine Macht mehr über mein eigenes Leben habe.“
„Wer hat das gesagt, Bunt?“
„Auch Karasek.“
„Weißt Du, dass es von dem Aktionskünstler Allan Kaprow den Satz gibt: `Schwarz impliziert in unserer westlichen Tradition auch Vergessen, Vergesslichkeit, also genau diese `Nicht-Zeit`, der man sich nicht erinnern kann.`“
„Jetzt siehst du aber schwarz.“
„Nein. Da hat er Recht. Und es zeigt auf, dass es bei dieser unbunten Farbe immer um Wesentliches geht. Wenn ich einen Raum zu einem Meditationsraum mache, zu einem Raum der Stille, in den ich hineinwachsen darf, und zugleich zum Spiegel des Betrachters, dann habe ich mit den Bildern an der Wand einen Kunstraum geschaffen. Das geht nur unbunt. Deshalb ist es auch gar nicht wichtig, ob uns beide jemand entdeckt. Wir haben den Betrachtern den Raum entdeckt. Wir haben also unseren Teil zur Ausstellung getan und dürfen uns jetzt zurücknehmen. Und das, genau das wird die Erfahrung der Betrachter werden: Sie werden sich in die Stille hineinsehen, sie werden in sich sehen, und schließlich werden sie sich zurücknehmen, um die Andacht des Raumes nicht zu stören.“
„Daran schließt sich ein Satz des Bildhauers Reiner Ruthenbeck an: `Das Schwarz ist wie eine Abkühlung des Relativen auf den Nullpunkt. In dieser ambivalenten Deutung von Ruhe und Aktivität liegt für mich das Prinzip Schwarz, wie ein großer Atem.`“

Pia-Monika Nittke (Piano)
Ludwig Schumann liest.
Eine Rose für Elisabeth Heinemann
Eine Rose für Jochen P. Heite (mitte)

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