Samstag, 11. Mai 2019

Helsingør Domkantori in Pretzien

Der Pretziener Musiksommer wurde mit einem Konzert der Helsingør Domkantori unter Leitung von Roland Haraldson eröffnet. Romantische Chorsätze und moderne Werke begeisterten die Zuhörer.

Die Helsingør Domkantori in St. Thomas Pretzien

Der Chor des Domes St. Olai im dänischen Helsingør war gestern bei der Europäischen Chornacht in Magdeburg zu Gast. Und weil die Sänger nicht nur für ein Konzert herkommen wollten, fragten sie kurzerhand in Pretzien an. Pretziens Pfarrer Michael Seils freute sich über diese Vorverlegung des Pretziener Musiksommers – und über ein Benefizkonzert für die Pretziener Kirche: der Chor sang ohne Gage, die Einnahmen kamen so in voller Höhe dringend nötigen Reparaturen der Kirche zu Gute. "Inzwischen gibt es einige Risse im Mauerwerk, um die wir uns dringend kümmern müssen", sagte er. In der Tat sind die Risse an der Ostseite der Kirche unübersehbar, da kam das Angebot des Chores gerade recht.

Der aus Schleswig stammende Sänger Jürgen Schoop, der später auch durch das Programm führte und einige der Texte auf deutsch zusammenfasste, begrüßte die Zuhörer mit "Liebe Freunde der Musik, liebe Gemeinde, liebe Europäer" und machte mit diesen wenigen Worten deutlich, wie sehr den Musikern an Europa gelegen ist, wie sehr Europa den kulturellen Austausch ermöglicht.

Auch in der Musik wurde deutlich, wie nah sich Dänemark und seine Nachbarländer sind. Yndigt dufter Danmark ("wie schön duftet Dänemark") des dänischen Komponisten Svend Simon Schultz (1913-1998) beschreibt den Duft des süßen Flieders und den Gesang der Nachtigall, und hätte auch ein süßes deutsches Volkslied sein können. Lieder der dänischen Romantik von J. P. E. Hartmann mit kräftigen mehrstimmigen Chorsätzen waren sowohl von dänischer Volksmusik wie auch von der deutschen oder französischen Romantik beeinflusst. In eine geografisch andere Richtung gingen die Madonnenlieder von P. E. Lange-Müller. Der Textdichter hatte sich dafür an der russisch-orthodoxen Kirche orientiert und stellte sich betende Menschen vor goldenen Ikonen vor. Der Gesang allerdings war dann an der europäischen Klassik orientiert. Es folgten romantische Liebeslieder ebenso wie Lieder, in denen Carl Nielsen die Einheit von Mensch und Natur in Musik umsetzte.

Mittwoch, 1. Mai 2019

Julie Sassoon Quartett in Gottesgnaden

Das Julie Sassoon Quartett eröffnete heute die Saison im Saalehof Gottesgnaden. Die Musik der in Berlin lebenden Engländerin war vom Klavier ebenso wie von Klarinette und Saxophon geprägt – mit kräftigen und doch harmonischen Klängen.
Julie Sassoon – Piano
Lothar Ohlmeier – Bassklarinette, Saxophon
Meinrad Kneer – Bass
Rudi Fischerlehner – Schlagzeug

Die Band kam auf dem Weg von Bochum nach Berlin mit etwas Verspätung nach Gottesgnaden, musste wohl diesen kleinen, auf einer Saaleinsel versteckten Ort mit dem geheimnisvollen Namen erst finden. Gleich nach dem Auspacken der Instrumente (und dem Ausrichten des Klaviers, das auf dem rohen Betonfußboden des ehemaligen Stalls letztlich nur in leichter Schräglage eine kippelfreie Position fand) begannen die vier Musiker zu spielen, ohne Soundcheck. Der war auch nicht nötig, schließlich spielten die vier Musiker rein akustisch, ohne Verstärkung – was für ein Jazz-Konzert zwar etwas ungewöhnlich ist, aber andererseits ein ganz anderes, natürliches Hörgefühl mit sich brachte: eine Neujustierung der Ohren.

Das Konzert begann, anders als bei einem Klavierquartetts vielleicht erwartet, nicht klavierbetont, sondern zunächst nur mit leisen Tönen von Rudi Fischerlehner am Schlagzeug. Eine kleine Glocke imitierte ein Telefon aus analogen Zeiten, immer wieder leise klingelnd. "Nun geh' doch mal ran" wäre auch eine passende Bezeichnung des Titels ("clouds") gewesen. Julie Sassoon hielt sich anfangs zurück und ließ zart perlende Tonfolgen hören. Als dann aber Lothar Ohlmeyer mit seinem Saxophon hinzutrat, entwickelte sich nach und nach eine gewaltige Fülle an Klängen. Auch das nächste Stück, misscalled, war wieder deutlich vom Saxophon bestimmt, das von Klavier und Baß dröhnend begleitet wurde. Überhaupt erwies sich Julie Sassoon als sehr gefühlvolle Begleiterin der anderen Musiker, wenn sie etwa Lothar Ohlmeiers Klarinettensolo leise unterstützt oder den Meinrad Kneers Baß, der immer mal wieder im Solo sein Instrument zum Melodieinstrument machte. An solchen Stellen merkt man, wie gut die Musiker aufeinander eingespielt sind: wenn sich Saxophon, Schlagzeug, Baß und Klavier in wilder Dynamik zusammenfinden, das Klavier dabei eher zum Teil des Schlagzeugs wird. Wow!