Freitag, 22. November 2019

Orgel und Improvisation

Musik für Orgel, Saxophon, Cello und Gesang gab es heute innerhalb des Tonkünstlerfestes des Tonkünstlerverbandes Sachsen-Anhalt in der Magdeburger St.-Sebastians-Kirche.
Matthias Mück – Orgel
Warnfried Altmann – Saxophon
Wilfried Staufenbiel – Cello, Gesang

Matthias Mück, der sonst hoch oben an seiner Orgel sitzt und dem Publikum verborgen bleibt, steht vor Beginn des Konzertes vorn am Mikrophon und spricht über die Musik des Abends. Zunächst ist es dem Kathedralmusiker von St. Sebastian eine Freude darauf hinzuweisen, dass das Konzert ausgerecht am Tag der heiligen Cecilia stattfindet, der Heiligen der Kirchenmusik. Und er spricht über den Tonkünstlerverband Sachsen-Anhalt, der tatsächlich schon 170 Jahre besteht. Über das, was gleich im Konzert entstehen wird, sagt der Kirchenmusiker Mück: "Für uns ist das Konzert Improvisation, nichts ist wiederholbar".

Zu Beginn des Konzertes sitzt nur Wilfried Staufenbiel vorn, vor dem Altar, und stimmt sein Cello in der Stille der Kirche. Schon das klingt wie Musik. Zuerst steht "Befiehl Du Deine Wege" im Programm. Matthias Mück beginnt mit warmen Orgeltönen, die noch gar nicht die Melodie erkennen lassen, ehe Warnfried Altmann mit seinem Saxophon hinzukommt, weit hinten in der Kirche, auf der Orgelempore stehend, und den alten Choral erklingen lässt. Wilfried Staufenbiel singt vom Altar her den Text, singt ihn mit tiefer Ergebenheit, so als ob er nur für sich singt und doch füllt seine Stimme das Kirchenschiff. Das anschließende "Mandala" ist ein Stück für Cello und Saxophon, auch hier setzt Staufenbiel seinen Gesang ein, Altmann antwortet mit dem Saxophon, bläst lange anhaltende Töne in die Kirche. 

Samstag, 16. November 2019

Simkhat Hanefesh – jüdische Barockmusik

Barockmusik "zur Freude der Seele" gab es heute bei den Tagen der jüdischen Kultur und Geschichte im Magdeburger Gesellschaftshaus. Denn mit "zur Freude der Seele" lässt sich der Name des Barockorchesters simkhat hanefesh übersetzen, das die Judaistik-Wissenschaftlerin Diana Matut gründete, um "die trockenen musikwissenschaftlichen und historischen Erkenntnisse in lebendige Musik umzusetzen". Ihr Programm hatten sie mit "Eine Reise durch Aschkenas. Die Fahrten des Abraham Levie" umschrieben. Zugrunde lag die überlieferte Reisebeschreibung des jungen Abraham Levie aus Lemgo, der sich im Jahr 1719 auf eine Reise begab, die ihn mehrere Jahre durch die deutschsprachigen Länder bis nach Italien und Elba führen sollte. Seine Reiseerinnerungen, in Amsterdam verfasst, sind in Manuskriptform erhalten geblieben. Zur Veranschaulichung der Reiseroute dienten mittels Beamer an die Leinwand projizierte Zeitdokumente, alte Stiche und Karten (in welche dann auch die Route eingezeichnet war). In Zusammenhang mit der Musik der Zeit zwischen 1500 und 1800 und Erläuterungen von Diana Matut ergab sich eine interessante Mischung aus Konzert, historischen Erläuterungen und Lichtbildervortrag. Ein kurzweiliger Abend.
Diana Matut – Gesang, Flöten, Nyckelharpa
Nora Thiele – Perkussion, Glocken, Colascione
James Hewitt – Barockvioline
Erik Warkenthin – Laute, Theorbe, Barockgitarre
Dietrich Haböck – Viola da Gamba

Norbert Pohlmann vom Forum Gestaltung eröffnete als Initiator der Tage der jüdischen Kultur und Geschichte den Abend. "Ich bin froh, dass wir mit Simkhat Hanefesh eine wirklich außergewöhnliche Musikfarbe im Programm anbieten können", sagte er zur Ankündigung der Barock-Band. Zum Hintergrund der nun schon im 12. Jahr stattfindenden Kulturreihe sagte er "Eines hat sich nicht geändert: die Intention, gemeinsam diese Kultur zu erleben. Und dazu braucht es auch die Gemeinsamkeit des Erlebens". Und ganz wichtig war ihm angesichts der jüngsten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen: "Wir müssen aufpassen, dass sich die Demokratie nicht mit demokratischen Mitteln abschafft".

Das Programm des Abends führte dann aber tatsächlich in die Musik und in das Empfinden des Barock zurück, also eine ganz andere Zeit und Musik als das, was einem landläufig als erstes einfällt, wenn von jüdischer Musik die Rede ist – aber Klezmer war eben viel später. Eine festliche Bourrée eröffnete das Konzert, Musik, die die Musiker auf historischen Instrumenten spielen: Schlüsselfiedel (besser aus dem schwedischen als Nyckelharpa bekannt), Barockvioline, Theorben riesigen Ausmaßes, Gambe, Barockgitarre, Trommeln und Glockenspiel gaben auch akustisch einen nahe am Original liegenden Eindruck der Barockmusik. Dass Stücke jüdischer Komponisten gespielt wurden, war von der Musik her eher von untergeordneter Bedeutung, denn die festliche jüdische Musik jener Zeit (in dem Fall: Musik zur Beschneidungszeremonie) unterschied sich kaum von der italienischer oder deutscher Komponisten.

Mittwoch, 6. November 2019

Christiane Hagedorn: Tanz auf dem Vulkan

Musik der wilden 20er Jahre: Innerhalb der Magdeburger Tage der jüdischen Kultur und Geschichte gastierte Christiane Hagedorn mit ihrem Trio im Forum Gestaltung.
Christiane Hagedorn – Gesang, Violine
Martin Scholz – Piano, Kornett
Dieter Kuhlmann – Bass, Posaune, Saxophon

Im engen schwarzen Kleid steht Christiane Hagedorn auf der Bühne, singt mit ausdrucksstarker Stimme Lieder der 1920 und frühen 1930er Jahre. Lieder aus der Zeit der Weimarer Republik, als nach dem ersten Weltkrieg alles voller Bewegung war, voller Veränderung, voller Aufbruch. Es war die große Zeit der Varieteebühnen, auf denen frische und freche Musik gespielt wurde. Etwa wenn die Comedian Harmonists (und hier nun Christiane Hagedorn) ihre Lieder vom Kleinen Grünen Kaktus oder vom kleinen Herrn Meier am Himalaja sangen und Kurt Gerron das von Friedrich Holländer komponierte Nachtgespenst schweben ließ.