Donnerstag, 31. Oktober 2019

Wenzel und Band: Lebensreise

Musik zum Mitsingen und Mittanzen, manchmal auch nur zum einfach zuhören. Von alledem gab es etwas, als Hans-Eckardt Wenzel heute zusammen mit seiner Band in der Feuerwache auftrat, mit dem Programm seiner neuen CD "Lebensreise".
Hans-Eckardt Wenzel – p, g, acc, voc
Thommy Krawallo – b, g
Hannes Scheffler – b, g
Manual Agosthino Peireira – trp
Stefan Dohanetz – dr, perc
Wenzel (von links), Thommy Krawallo,
Hannes Scheffler und Stefan Dohanetz

Die neue CD wird, wie Wenzel sagte, eine Live-CD sein (ein Mitschnitt seines Konzertes am 22. Juni 2019 in Kamp auf 2 CDs). Ich freue mich schon drauf, denn live ist die Musik am besten, vor allem, weil auf den live-CDs auch Wenzels Texte zwischen den Liedern enthalten sind. Die CD war nur leider noch nicht fertig (denn "normalerweise" – das heißt eigentlich immer – bringt er die jeweils neue CD schon fertig gepresst mit nach Magdeburg, wenn er wie in den letzten Jahren Anfang November zu Beginn seiner Tour dort auftritt). Das mit der CD war zu verschmerzen, denn es gab ja lediglich nichts zum mit nach Hause nehmen (und gleich auf der Heimfahrt hören).

Am Beginn seines Konzertes singt Wenzel an gegen den allgegenwärtigen Konsum, gegen das alles sich kaufen können (Nimm Dein Glas und wirf es an die Wand / hier in diesem aufgeblasnen Land / ... / sing den Trotz Dir aus der Kehle/ gib Dich nicht geschlagen/ kotze Dir nicht Deine Seele / Deine Seele aus dem Magen). Lieder voller Poesie (komm zu mir und mach mich wach / halt Dich fest an mir und trink mich leer), denen man endlos lauschen möchte, gibt es ebenso wie Lieder, die vom Publikum laut mitgesungen werden. Tschingeling war so eines, aus Wenzels Woody-Guthrie-CD. Oder auch "Die Länder der Erde gehören keinem alleine, die Erde ist da für Dich und mich", wie Wenzels deutsche Fassung von Guthries "This Land is Your Land" beginnt. Den Anfang singt er, bevor die Band kräftig einsetzt, ganz leise zur Gitarre. Und das Publikum, textsicher, singt deutlich vernehmbar mit. "Diese Zeit jetzt, diese Wahlen – da muss man durchhalten", sagt er den Konzertbesuchern. "Dafür sind wir hier, und dafür seid Ihr hier". Dass wir "nicht mittun bei der großen Schweinerei", wie es in einem weiteren Lied heißt.

Benschu und Flemming: Libertango

Saxophon und Harfe, eine wohl sehr seltene Instrumenten-Kombination, gab es heute in Glinde zu hören. Ralf Benschu war zum "wer-weiß-wievielten" Mal (wie oft genau, wusste keiner zu sagen) am Reformationstag in der St.-Matthäi-Kirche des kleinen Elbedorfes zu Gast.
Ralf Benschu – Saxophon
Jessyca Flemming – Harfe

Pfarrer Björn Teichert begrüßte Musiker und Gäste und sagte dazu "ich bin nun schon neun Jahre hier und bin immer wieder gespannt darauf, welche Musiker und welche Musik Ralf Benschu zu diesem Konzert mitbringt". Diesmal kam er gemeinsam mit der Berliner Harfenistin Jessyca Flemming. Damit treffen zwei Instrumente aufeinander, die man eher unterschiedlichen Musikrichtungen zuordnet: das Saxophon der Unterhaltungs- und die Harfe der klassischen Musik. So ist die Zusammenarbeit der beiden Musiker immer auch ein Stück weit ein (gelungenes!) Experiment, ein Ausloten der Möglichkeiten, ein Neu-Arrangieren von Kompositionen. Auf dem Programm standen überwiegend Werke neuere Komponisten.

Sonntag, 27. Oktober 2019

Die unendliche Feinheit des Raumes – Abschlusskonzert des Sinuston-Festivals

Oliver Schneller setzt sich in seinem "Theatrum sonorum", wie er seine Komposition "Die unendliche Feinheit des Raumes" im Untertitel nennt, in seinem Klangtheater für Orchester, Orgel und acht Lautsprecher, mit dem Inhalt von Otto von Guerickes "Experimenta nova" auseinander, mit Guerickes Beschreibung der Welt und seiner Experimente mit dem leeren Raum.
Oliver Schneller – Komposition
Franz Danksagmüller – Orgel
Mendelssohn Kammerorchester Leipzig
Manuel Nawri – Dirigent
Henrik von Coler – Klangregie
Das Mendelssohn Kammerorchester Leipzig spielt in
der Konzerthalle "Georg Philipp Telemann" im
Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg

Die Sätze von "Die unendliche Feinheit des Raumes" lehnen sich an die Kapitel aus Guerickes auf Latein verfasssten Buch (originale Kapitelbezeichnungen in Klammern) an, das insgesamt ein Abriss der kosmischen Physik der Zeit Otto von Guerickes ist:
I. Die Welt und ihr Bau (De Mundo ejusque Systemate)
II. Der leere Raum (De Spatio Vacuo)
III. Eigene Versuche (De Propriis Experimentis)
IV. Kosmische Kräfte (De Virtutibus Mundanis & aliis rebus independentibus)
V. Erde und Mond (De Terraqueo globo ejusque Socia quae vocatur Luna)
VI. Unser Sonnensystem (De Systemate Mundi nostri Planetario)
VII. Die Fixsternwelt und ihre Grenzen (De Stellis Fixis & Eo quod finit Eas)

Oliver Schneller hat sein siebensätziges Werk ebenso aufgebaut wie Guerickes Beschreibung des Kosmos und der planetaren Welt. Er berücksichtigt die Vorstellungen des Denkens Guerickes, der aus seinen Untersuchungen von Wechselwirkungen der Kräfte Rückschlüsse auf kosmische Zusammenhänge zog.

Donnerstag, 24. Oktober 2019

Eröffnungskonzert des Sinuston-Festivals

Elektronik und kräftige Beats gehörten zu den Schwerpunkten des Eröffnungskonzertes des Sinuston-Festivals, das nun schon zum 10. Mal in Magdeburg stattfindet.


Carsten Geerth, der den Abend im Forum Gestaltung eröffnete, freute sich sichtlich über das runde Jubiläum des Festivals, zu dessen Eröffnungskonzert er „als Reverenz an unsere Stadt Musiker aus Magdeburg und der Region eingeladen“ hatte.

Carsten Geerth (links) eröffnete das Festival. Neben
ihm: Oliver Schneller, der das Festival vor zehn Jahren
gründete und Mikro Lange, der langjährige
Tontechniker des Festivals

Den Auftakt machte Mathias Markgraf, besser bekannt unter seinem Pseudonym Prypjat Syndrome. In Magdeburg ist er oft an unterschiedlichen Stellen zu erleben, auch als Straßenmusiker, wenn er sich mit seinem schwarzen Cello und seinem Elektronikkoffer zum Beispiel vor den Bahnhof oder auf die Sternbrücke setzt und spielt.

Sonntag, 20. Oktober 2019

Die Genialität des Augenblicks

Der Film "Die Genialität des Augenblicks" über Günter Rössler erinnert an das Schaffen des Fotografen , der den meisten (Ost)Deutschen durch seine Aktfotos im Magazin bekannt ist. Heute nachmittag lief der Film im Studiokino Magdeburg.


Einige seiner Fotomodelle kommen im Film zu Wort, berichten über Rössler und seine Art zu fotografieren, über die Vertrautheit als wesentliche Voraussetzung der entstehenden Fotos, über die Rolle der Fotos für sie persönlich. Aber auch Aufnahmeorte und -bedingungen aus der Zeit vor 1990 wurden sichtbar, befreundete Künstler kamen zu Wort. Der Mensch hinter den Fotografien, oder besser: der Mensch hinter der Kamera, wurde sichtbar.

Donnerstag, 17. Oktober 2019

Kinderporträts von Elisabeth Heinemann, Lieder und Gedichte von Pia Monika Nittke

Gedichte und Lieder für Kinder begleiteten die Eröffnung der aktuellen Ausstellung der Magdeburger Fotografin Elisabeth Heinemann im Magdeburger Konservatorium.


Für Helga Kleiner, die durch das Programm der Vernissage führt, sind sowohl Elisabeth Heinemann als auch Pia-Monika Nittke und Lothar Henning bekannte Größen in der Magdeburger Kunstszene. "Eigentlich brauche ich sie gar nicht vorstellen", sagt sie, dann gibt es selbstverständlich einige Hinweise auf das Leben der Künstler. "Die drei habe ich zum ersten Mal bei meiner Arbeit für UNICEF kennengelernt", sagt Helga Kleiner, "und seitdem gibt es immer wieder Berührungspunkte". Einer davon ist sicher Elisabeth Heinemanns Porträtserie von Flüchtlingskindern, aus der auch einige in der Ausstellung zu sehen sind.

Porträts von Kindern haben für Elisabeth Heinemann eine besondere Bedeutung: "Sie drücken in ihren Gesichtern unverstellt ihr Empfindungen aus, Fröhlichkeit, Erstaunen, aber auch Traurigkeit und Ernst, so wie in meiner Fotoserie mit Porträts von Flüchtlingskindern", sagt sie dem Publikum. "Vor Kindern liegt noch ein langer weiter Weg – ich versuche mit meinen Bildern, einen kleinen Ausschnitt davon zu zeigen". Und wer die großformatigen Schwarzweiß-Fotos genau betrachtet, der kann sich hinter vielen Fotos kleine Geschichten vorstellen. Einige Porträts zeigen ihren Enkel, andere Kinder von rumänischen Familien, die sie rund um den Moritzplatz traf. "Ich war begeistert davon, wie fröhlich sie gespielt haben".

Donnerstag, 10. Oktober 2019

Ausstellung Günter Rössler

Aktfotos von Günter Rössler, einem der großen Aktfotografen der DDR, sind seit heute und noch bis zum 1. November in der Stadtsparkasse Magdeburg am Alten Markt zu sehen. Die Ausstellung findet innerhalb der Filmkunsttage Magdeburg statt.


Zur Eröffnung der Ausstellung erläuterte Mathias Geraldy, Pressesprecher der Magdeburger Sparkasse, das Zustandekommen der Ausstellung, die sie jedes Jahr mit wechselnden Themen zu den Filmkunsttagen in ihrer Filiale am Alten Markt haben. Dass es in diesem Jahr Bilder von Günter Rössler sind, hängt unter anderem damit zusammen, dass innerhalb des Festivals ein Film über den bekanntesten Aktfotografen der DDR läuft.

Mittwoch, 9. Oktober 2019

Peter Wawerzinek: Liebestölpel

Peter Wawerzinek las heute im Forum Gestaltung Magdeburg aus seinem Buch "Liebestölpel". Die Lesung wurde vom Literaturhaus Magdeburg veranstaltet. Dessen Leiterin, Ute Berger, sprach am Beginn des Abends mit Peter Wawerzinek, der im Jahr 2015 Magdeburger Stadtschreiber war, über seine Arbeit und seine Zeit in Magdeburg.


Noch vor den Gesprächen über das aktuelle Buch war Peter Wawerzinek das Gedenken an das schreckliche Attentat in Halle wichtig, wo gerade einen Tag vor der Lesung ein Neonazi die Hallenser Synagoge überfallen wollte und in den Straßen nebenan zwei Menschen hinterhältig und brutal ermordete. "Als ich auf der Fahrt nach Magdeburg davon hörte", sagte Wawerzinek, "ging mir das auch deshalb besonders nahe, weil ich diese Gegend aus der Kindheit kannte. Im Sommer wurden Kinder aus Halle zur Erholung an die Ostsee geschickt und wenn sich diese blassen Kinder am Strand erholten, fuhren wir nach Halle". Daher hat Wawerzinek Ortskenntnis und stellte fest "ich kenne diese Gegend noch wie heute, das besetzte Haus kenne ich, bei Bäcker Kalb haben wir Kuchen geholt, auch auf dem Friedhof der Synagoge bin ich gewesen".

Zurück zum Buch. "Nach der Rabenliebe und dem Schluckspecht, da sollte auch wieder ein Vogel dem Buch den Titel geben?", fragte Ute Berger. Peter Wawerzinek sinnierte über die Tölpel, die auf Helgoland ihre Nester auf schmale Felsvorsprünge bauen, von denen aus sich die Jungen ins kalte Wasser stürzen müssen. "Es schaffen nicht alle, aber die die es schaffen, aus denen wird auch was. Das wäre ja schon mal ein schönes Bild". Und was wirst Du heute daraus lesen? Wawerzinek zitiert Frank McCourt (Anm.: Autor von Die Asche meiner Mutter): "Wenn man richtig erzählen will, dann muss man zurück in seine Jugend".

Und so fängt Peter Wawerzinek mit dem Anfang an, mit den kurzen schwarzen Zöpfen seiner Jugendfreundin Lucretia, mit der er seit frühesten Kindertagen vertraut ist. (später, im Gespräch nach der Lesung, wird Wawerzinek einige Aufklärung zu den immer wieder zu autobiografisch geprägten Texten gestellten Fragen nach dem Gehalt an eigenem Leben des Autors geben, der auch hier nicht bei 100 Prozent liegt). Er liest Geschichten von erster, noch kindlicher Verliebtheit, Geschichten vom Leben im Kinderheim an der Ostsee. Das Motiv von Brüderlein und Schwesterlein, die ganz allein im Wald unterwegs sind, mag dafür stehen. Über die elternlosen Kinder sagt er "Verlorene sind wir von Anfang an" und berichtet dennoch von der Geborgenheit im Heim. "Bei einer Lesung aus 'Rabenliebe' traf ich ehemalige Klassenkameraden, die mir sagten, 'dass Du ein Heimkind warst haben wir gar nicht richtig gewusst'. So etwas war damals gar nicht Thema, war etwas selbstverständliches, über das nicht gesprochen werden musste."

Wawerzinek liest mit einer sehr lebendigen Sprache, er liest nicht einfach so, sondern singt beinahe, wenn die Protagonisten Abzählverse rufen, eins zwei drei vier Eckstein/ alles muss versteckt sein. Und wenn er von der Ostsee berichtet, von den Ausflügen an den Strand, dann klingen die Geschichten so, wie man sie aus der eigenen Kindheit kennt, die Freude daran, am salzigen Wasser der Ostsee zu sein, den heißen Sand zu spüren.