Samstag, 20. August 2022

Wohnen im Atemhaus: Gedichte von Rose Ausländer

Der Dramaturg David Schliesing und die Schauspielerin Judith Kruder lasen im Schloss Hohenerxleben Lyrik und Prosa der Dichterin Rose Ausländer. Den Titel eines ihrer Gedichte, "Wohnen im Atemhaus", stellten sie als Überschrift der Lesung voran.

Unsichtbare Brücken spannen
von dir zu Menschen und Dingen
von der Luft zu deinem Atem

Mit Blumen sprechen
wie mit Menschen
die du liebst

Im Atemhaus wohnen
eine Menschblumenzeit

Rose Ausländer, 1901 in der Bukowina, in Czernowitz geboren, wechselte mehrfach zwischen ihrer Heimat, den USA und Österreich, überlebte die Besetzung ihrer Heimat durch rumänische, mit dem faschistischen Deutschland verbündete Truppen und das jüdische Getto, wurde von der Sowjetarmee befreit, zusammen mit den letzten nur etwa 5.000 überlebenden Juden des Gettos, von einst 55.000. Sie lebte und arbeitete ab 1965 in Düsseldorf, wo sie 1988 starb. Mit ihrem Leben hat sie damit fast das ganze 20. Jahrhundert mit seiner großen Tragik erlebt. Daran erinnerte auch Heinrich Dieter Funke vom Schloß Hohenerxleben, der die Lesung eröffnete.

Die Schrecken der Nazizeit waren in vielen der Gedichte Rose Ausländers spürbar, aber auch der Glaube an das Leben. "Warum schreibe ich", mit diesem selbstreflektiven Prosatext Rose Ausländers beginnt Judith Kruder, "vielleicht, weil ich im vielsprachigen Czernowitz zur Welt gekommen bin". Als Deutscher kann man solche Worte nicht hören, ohne auch Gedanken daran im Sinn zu haben, was dann  mit dieser lebendigen Kulturstadt geschah. Und wenn es später heißt, "wer hat mir den Regenbogen aus dem Blick gerissen", dann liegt darin sprachlich der Verlust allen Glücks verborgen. 

Rose Ausländer verstand es, mit wenigen Worten eindrucksvolle Gedankenbilder zu schaffen. "Ich bin ohne Visum auf die Welt gekommen. Ich brauche ein Visum nach Liebe" schreibt sie und diese Zeilen sind aktuell wie für die heutige Zeit geschrieben. "Das Leben spielt mich. Es hat mir eine Krone geschenkt. Ich kaufte dafür ein Königreich aus Worten". Darin liegt Liebe zur Sprache ebenso wie ein zuversichtlicher Blick auf das Leben.