Heute, einen Tag vor der Ankunft der Heiligen drei Könige, klang für mich die Weihnachtszeit mit einer ganz neuen Adaption von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium aus. Das Weihnachtsminiatorium, komponiert von Benjamin Schweitzer und im Magdeburger Gesellschaftshaus aufgeführt vom Ensemble Courage aus Dresden.
Marijke Daphne Meerwijk – Sopran
Susanne Stock – Akkordeon
Georg Wettin – Klarinetten
Matthias Lorenz – Violoncello
"Johann Sebastian Bach selbst hat seine Musik nie als etwas statisches verstanden, er hat seine Stücke immer wieder variiert, zu neuen Anlässen verwendet", sagte Matthias Lorenz zu Beginn des Konzertes, "und so haben wir es auch gemacht. Wir können ihn nicht mehr fragen, aber ich glaub, das wäre in seinem Sinn". Und auch Carsten Geerth, Leiter des Gesellschaftshauses war von der Idee gleich begeistert. "Ich hätte nie gedacht, dass ich im Schinkelsaal mal ein Weihnachtsoratorium aufführen könnte", sagte er den MusikerInnen. Denn der Schinkelsaal ist der Magdeburger Kammermusiksaal. Das Geheimnis dieser Aufführung von Bachs Weihnachtsoratorium liegt in Benjamin Schweitzers Adaption des großen Cjorwerks für ein Kammermusikensemble. Benjamin Schweitzer hat das Oratorium unter Verwendung von Bachs Musik für Sopran, Klarinetten, Akkordion und Cello neu komponiert.
Das knapp einstündige Weihnachtsminiatorium beginnt mit einer Rezitation der Weihnachtsgeschichte, begleitet von leisen Klängen der Instrumente, die wie eine zurüchaltende Orgelbegleitung des Textes klingen. Dass die Musik trotz der völligen Neubearbeitung sehr vertraut klingt, dafür sorgt der Gesangspart – dieser ist sehr eng an Bachs Original angelegt. Bei den Instrumentalstimmen spürt man die Bachzitate, auch wenn diese selten vordergründig durchklingen.
Falls jetzt jemand fragt, kann man denn Bachs großes Chor- und Orchesterwerk nur zu viert aufführen: ja, man kann. Denn es handelt sich um keine bloßes Nachspielen von Bachs Musik in kleiner Besetzung, sondern um eine von Grund auf neue Komposition. Die Instrumente und der Sopran finden dabei zu einem sehr stimmigen Gesamtklang zusammen, mitunter stellt die Stimme das vierte Instrument dar. Und umgekehrt singen die Instrumentalisten an einigen Stellen mit, als vierstimmiger Choral.Es ist auch interessant, die vier Klarinetten, zwischen denen Georg Wettin wechselt, das Akkordeon und das Cello zusammen zu hören. Zu hören, in welcher Übereinstimmung sie klingen können, aber auch wie unterschiedlich. Wenn etwa Susanne Stock den Gesang mit sphärisch hohen Tönen des Akkordeons begleitet oder wenn Matthias Lorenz auf dem Körper des Cellos klopfend die Pauken in "Jauchzet Frohlocket" nachbildet. An dramatischen Stellen klingen die drei Instrumente, voran das Cello, wie in einer Jazz-Improvisation, als Einleitung zu einer Arie mit der Frage, warum "des kleinen Jesu Gegenwart erschrecken" soll.
Und immer wieder bilden einzelne Arien Wiedererkennungspunkte und Zusammenhänge zu Bachs Oratorium. Etwa das "Ich steh an Deiner Krippen hier", "Wie soll ich Dich empfangen und wie begene ich Dir". Und selbstverständlich das "Jauchzet Frohlocket" am Ende.
Dabei ist faszinierend: an keiner Stelle des Stückes empfindet man die neu hinzugefügten Klänge als Fremdkörper. Vielmehr ist diese Abweichung vom Gewohnten ein Anlass, genauer hinzuhören. Um dann festzustellen, 'so habe ich das noch nie gehört'. Manche Arien kamen mir völlig unbekannt vor, nunja, vielleicht habe ich sie bisher nur überhört. Wurde das Stück um die Sopranstimmen des Weihnachtsoratoriums herum komponiert, frage ich Marijke Meerwijk, und in der Antwort wird deutlich, warum mir wohl einiges so unbekannt vorkommt: "Nein, denn ich singe nicht nur die originalen Sopranstimmen, sonderen auch andere bis hin zu solchen, die im Original für den Bass vorgesehen sind".
Nach dem Konzert erläutert Matthias Lorenz die Entstehung des Weihnachtsminiatoriums. "Susanne Stock und ich hatten diese Idee schon lange. Im Jahr 2019 haben wir Benjamin Schweitzer gefragt, ob er in diesem Sinn etwas für uns komponieren könnte". Die Zeit dazu fand dieser erst 2021. Zwischendurch kam Corona und so fand die Uraufführung erst am 6. Januar 2023 in der Kirche des Gerarer Stadtteils Lusan statt.
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