Freitag, 16. November 2018

Tobias Rank

Der Leipziger Pianist und Sänger Tobias Rank hatte für sein Konzert "Ich fühl mich so ausgedrückt" im Magdeburger Forum Gestaltung Texte von Helmut Krausser, Thomas Kunst, Fritz Eckenga, Günter Kunert und Michael Lentz mit eigenen Kompositionen vertont.


Tobias Rank hatte ich vor einigen Jahren (und seitdem dann Jahr für Jahr wieder) erlebt, als er mit Gunthard Stephan und dem gemeinsamen Stummfilmprojekt "Laster der Nacht" in Pechau Station machte¹. Die Stummfilme begleitet er nur instrumental – so war ich gespannt darauf, den Pianisten auch mal als Sänger zu erleben.

Die Lieder bewegten sich zwischen sanften Liebesliedern und Liedern mit skurilen Texten, mitunter auch schrägem, schwarzem Humor, wie man ihn von Kreisler kennt. Wenn er "ich hab an Dich gedacht heut' Nacht" singt, als eines der ruhigen Lieder, dann begleitet er es mit langen ruhigen und sich beständig wiederholenden Tonfolgen so, wie er wohl auch im Stummfilm verliebte Menschen darstellen würde. Bei anderen Liedern fühlte ich mich an große Chanssoniers erinnert, bei einigen kam mir in Anlehnung an ein Berliner Anarcho-Chanson-Duo der Satz "Rank singt und Rank muß begleiten" in den Sinn, wenn er etwa Nonsens-Texte wie den von der ausgeräumten Spülmaschine singt, von Damen im Altenheim oder Fritz Eckengas Lied "Die deutsche Frau kriegt keine Kinder / der deutsche Mann kann nichts dafür / die deutsche Frau, sie leistet minder / die Schuld trägt sie, es liegt an ihr" woraus der Dichter dann am Ende die Hinwendung des Mannes zum Baumarkt ableitet, denn dann kann er eben "die Dübel in Bretter stecken".

Bei seinen Liedern überläßt es Rank meist dem Publikum sie einzuordnen, ab und zu gibt er in seinen Zwischenmoderationen Hinweise. Etwa wenn er dem Publikum "vielleicht ist es ein Anti-Liebeslied" sagt und "Wie schön, daß es damals nichts geworden ist mit uns" singt, davon singt, wie die Frau mit einem anderen Mann lebt und Kinder hat – und dann doch ein romantisches Ende folgt.

Seine Lieder, so sagt es Tobias Rank, findet er in Gedichtsammlungen unterschiedlicher Autoren. "Es gibt Gedichte, die springen mich beim Lesen an, die muss ich dann unbedingt vertonen", so Rank. Das können Texte von Kabarettautoren und Poetry Slammern sein, aber auch von Dichtern wie Günter Kunert, der für Rank "die große Dichterinstanz" ist. Oder Neudichtungen alter Gedichte, wie Heines "ein Jüngling liebte ein Mädchen" in der Fassung von Helmut Krausser.

Immer wieder aber finde ich in Tobias Ranks Klavierbegleitung seiner eigenen Melodien die selbstsichere Spieltechnik wieder, wie er sie bei seinen Stummfilmbegleitungen benutzt. Das unterstreicht die Texte und macht das Konzert zu einem angenehm anzuhörenden Chansonabend – amüsant, aber nicht zu leicht, nachdenklich, aber nicht zu traurig. Einen Abend, aus dem man vergnügt hinausgeht, vielleicht ein wenig mit dem Gefühl, auch mal wieder einen Lyrikband zur Hand nehmen zu müssen.


¹Ein paar Rückblicke auf die Stummfilmabende in Pechau finden sich auch hier im Blog, unter dem Label Stummfilm. Im Jahr 2019 ist das Stummfilmkino am 7. Juni wieder in Pechau "hinterm Deich" zu erleben.

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