Samstag, 15. Juni 2019

Holzhaustheater: Schieß mich doch zum Mond

Bereits zum 20. Mal führte das Holzhaustheater Zielitz seine Kalimandscharo-Festspiele durch. Zum Jubiläum hatte sich Theaterleiterin und Regisseurin Sigrid Vorpahl das Thema von George Bernhard Shaws Pygmalion (vielleicht bekannter als Musical My fair Lady) ausgesucht und die Geschichte um das Blumenmädchen Eliza Dolittle und den Sprachgelehrten Prof. Higgins ins Magdeburgische (oder besser: ins Machdeburjische) versetzt.


Dem Holzhaustheater ist damit eine wunderbare Aufführung gelungen, mit der Regisseurin und Schauspieler ihre bisherigen Inszenierungen selbst übertroffen haben. Unter anderem mit einer sehr guten Ensembleleistung, bei der die Laien nicht hinter den beiden Profis (Schauspieler Ekkehard Schwarz und Kabarettist Udo Kleinfeld) zurückstehen. Unbedingt empfehlenswert!

Viele der bisherigen Stücke des Sommertheaters auf dem Kalimandscharo waren Themen der Olsenbande entlehnt oder nahmen lokale Geschichten oder Sagen der Region zum Ausgangspunkt. Hier nun bediente sich Sigrid Vorpahl eines weltbekannten Themas. Sie ließen den Ort der Handlung in London, versetzten das Stück sprachlich aber nach Magdeburg. Funktioniert das? Auf jeden Fall! Die Gefahr, damit ins lokal-klamaukige abzurutschen umging das Ensemble damit, dass sie sich inhaltlich und örtlich dicht am Original hielten.

Blumenmädchen Eliza begeisterte durch ihr natürliches Spiel ebenso wie durch ihre Art, mit ihrem grauenhaften Dialekt zugleich auch nicht auf den Mund gefallen zu sein. "Ach Jottchen, Scharlottchen, det is een Schentelmen", so etwa ist ihr Sprachgebrauch, als sie den etwas verschrobenen Professor beschreibt, der ihr für eine völlig überhöhte Summe alle Blumen abkauft.

Die Handlung – ihr Vater wiederum will das Geld haben, um seine Hochzeit mit Molly auszurichten und der Sprach-Professor wird von Oberst Higgins zu einer Wetter verleitet, Eliza eine richtige Sprache beizubringen – ist bekannt. Zur Umsetzung reicht dem Ensemble ein sparsames Bühnenbild (noch wie früher von Hand gemalt), eine Stadtansicht von London, mit zwei Klapptafeln zum Verwandeln der Straßenszenen in Wohnzimmer oder Rennbahn.

Eliza hatte von ihrem Leben als Blumenmädchen nicht nur ihre Sprache mitgebracht, sondern auch auch eine gehörende Portion Selbstbewusstsein. Damit lädt sie sich zum Sprachunterricht ein und damit sagt sie dem Professor auch immer wieder die Meinung, der sie dafür "zum Mond schießen" will. Ebenso ihr Vater, dem der Professor am Ende eine Position in der Politik verschafft, denn von ihm hat Eliza schließlich ihr Selbstbewusstsein geerbt. In der Schlussszene gibt es ein großes und glückliches Ende: Eliza kommt mit Freddy zusammen, Albert Dolittle mit seiner Molly und Professor Higgins mit seiner Haushälterin.

Die Akustik war an diesem Abend eine Herausforderung für die Techniker. Relativ Starker Wind (trotz Abschirmung durch die westlich des Theatergeländes stehenden Wälle aus Salz) erlaubten nicht, die Verstärkung zu sehr aufzudrehen. Sie schafften es aber, dass es nur selten zu Windgeräuschen kam und die Sprache verständlich blieb, zumal das Publikum aufmerksam lauschte. Einzige (und nur ganz kleine) Kritik: in den Gesangsszenen sangen die Schauspieler/innen über eingespielte Ausschnitte des Musicals. Vielleicht spielte die Furcht vor den Tücken der Mikrofontechnik eine Rolle, vielleicht ist Gesang auch schwerer auf die Bühne zu bringen als ich als Zuhörer vermute – aber bei dem, was über den Einspieler hinweg von den Stimmen der Schauspieler/innen zu hören war, hätten sie wohl auch den Gesang von "Es grünt so grün..." oder "He, heute morgen mach ich Hochzeit..." auch sehr gut live hinbekommen.

Mein Fazit: ein empfehlenswertes Stück, unbedingt hin und anschauen! Das Stück läuft noch bis zum 30. Juli, immer Freitag/Sonnabend/Sonntag.

Die Besonderheit des Sommertheaters auf dem Kalimandscharo ist die grandiose (Mond-)Landschaft der weißen Salzberge und die wunderbare Aussicht ins umgebende Land. Bei starkem Regen, Sturm oder Gewitter wird die Aufführung in den Bergmannssaal der Kaliwerke verlegt. Schließlich ist man dort oben wirklich der höchste Punkt in der Landschaft und im Zweifel ein potentieller Blitzableiter. Aber ohne jetzt gezählt zu haben: bei den bisherigen Besuchen des Sommertheaters war die Chance, dass man die Aufführung oben auf dem Kaliberg genießen kann, wesentlich größer als 50 Prozent!


Personen (in Mehrfachbesetzung, Darsteller des Abends unterstrichen):
Henry Higgins: Wolfram Brinck / Martin Günther
Mrs. Higgins:, Henry Mutter: Frances Schimka / Maria Wendt
Mrs. Pearce, Hauhälterin bei Higgins: Monique Driechciarz / Alina Gladow
Oberst Pickering: Udo Kleinfeld / Enrico Pyka
Alfred P. Dolittle, Müllkutscher, Vater von Eliza:  Ekkehard Schwarz / Bernd Vorpahl
Eliza Dolittle, Blumenmädchen: Josephine Brinck / Lena Wendt
Molly, Alfreds "Madame": Steffi Engelbrecht / Andrea Kluckhenn
Mrs. Eynsford-Hill, Dame der Gesellschaft: Katja Klaußner / Uta Struwe / Stefanie Schubert
Freddy, deren Sohn: Jupp Henckelmann / Jonas Samsel / Ringo Kraski
Clara Eynsford-Hill: Christina Struwe / Stefanie Schubert
Emma, Dienstmädchen: Corinna Günther / Christina Struwe / Stefanie Schubert
Regie: Sigrid Vorpahl
Bühne, techn. Leitung: Bernd Vorpahl
Musikalische Leitung: Danny Priebe
Choreografie: Rebecca Lange
Dekomalerei: Marco Eidner
Kostüme: Sigrid Vorpahl und Ensemble
Soufflage: Manuela Eidner / Ilona Budna



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