Donnerstag, 28. Oktober 2021

Sinuston-Festival: Trioglyzerin – Die Abenteuer des Prinzen Achmed

Stummfilm neu interpretiert: Trioglyzerin fügt dem 95 Jahre alten Film "Die Abenteuer des Prinzen Achmed" eine neue Begleitmusik hinzu, mit akustischen und elektronischen Instrumenten.

Ulrich van der Schoor – Synthesizer, Klavier
Kristoff Becker – Violoncello
Tobias Becker – Oboe

Carsten Geerth, Leiter des Gesellschaftshauses Magdeburg, eröffnete die Magdeburger Tage der Elektroakustischen Musik, wie das "Sinuston"-Festival mit vollständigem Titel lautet. Zum 11. Mal finden die Konzerte der (überwiegend) elektronischen Musik nun schon statt. Seit 2008, zunächst alle zwei Jahre, ab 2012 jährlich – nur im vergangenen Jahr nicht, wie so vieles in der Pandemiezeit. "Ich freue mich sehr, dass die Konzerte wieder live stattfinden können", sagte Carsten Geerth dem Publikum. Dieses war zahlreich ins Magdeburger Oli-Kino gekommen. 

Am Auftakt des Festivals stand Filmmusik. Wobei dieser Begriff nur eine Kurzfassung darstellt und es auch nicht ganz trifft, denn Film und Musik, jedes davon war schon für sich bemerkenswert. Der Film: ein Stummfilm, ein Trickfilm. Der erste abendfüllende Trickfilm, ein Silhouettenfilm von Lotte Reiniger aus dem Jahr 1926.

In seiner Scherenschnitttechnik (die Silhouetten wurden von Lotte Reiniger tatsächlich als Scherenschnitt gefertigt und dann Bild für Bild animiert) wirkt der Film wie ein balinesisches Schattenspiel (nur dass die Gamelanmusik fehlt). Der Film wirkt wie ein Märchen aus tausendundeiner Nacht, von exotischen Geschichten und Märchen inspiriert. Lotte Reiniger verknüpft Figuren und Legenden aus aller Welt, vor allem aber aus der exotischen Welt zu einer spannenden und zauberhaften Märchengeschichte, mit Liebe, Kampf und Zauberei. Der afrikanische Zauberer (dessen Hände an Nosferatu erinnern), der Arabische Prinz, Aladin und seine Wunderlampe, eine Hexe und der Kaiser von China treffen in ein und derselben Geschichte aufeinander.

Die drei Musiker von Trioglyzerin sitzen vor dem Publikum, den Blick auf die große Leinwand gerichtet, um live zu den Filmbildern zu spielen. So wie das vor hundert Jahren die Stummfilmpianisten  taten. Sie interpretieren den Film neu und verwenden dafür sowohl akustische Instrumente wie Oboe, Klavier, Cello (mit einer zusätzlichen Basssaite) und die einer Langhalslaute ähnelnde Theorbe, ein Instrument, das sonst in der Barockmusik zum Einsatz kommt, als auch elektronische Instrumente wie den Synthesizer. Erstaunlicherweise fällt es beim Zuschauen und Zuhören überhaupt nicht auf, wenn sie die Instrumente wechseln. So gebannt ist der Blick von den Filmbildern – oder auch: so harmonisch passt die Musik zum Film, so selbstverständlich nimmt das Ohr die Musik wahr, dass es keine Rolle spielt, ob da nun grad ein akustisches oder ein elektronisches Instrument klingt. Was jetzt aber nicht heißen soll, dass es egal sei, was da klingt. Die Art der Klänge ist schon sehr genau auf die Filmbilder abgestimmt, da erzeugt das Cello Glissandi, wenn Prinz Achmed auf dem Zauberpferd aufsteigt oder fällt, da werden auf der Theorbe arabische Rhythmen gezupft, auf dem Klavier die Liebesszenen untermalt. Und auf dem Synthesizer die Geräuscheffekte für Sturm oder Explosionen erzeugt. 

Es ist bei Stummfilmmusikern – auch in der heutigen Aufführung – immer wieder faszinierend, wie sie es verstehen, die Spannungsbögen des Films spontan und passgenau in ihre Musik zu übernehmen. Das machten den Reiz der Aufführung des Stummfilms aus und machte den Kinoabend zu einem besonderen Erlebnis. Live ist eben live! Es gibt von der Trioglyzerin-Version leider keine Aufnahme – da sei auf den Besuch der Live-Aufführungen verwiesen. Wer auf den den Film neugierig geworden ist, der kann ihn  (mit einer anderen Musik) hier anschauen: 1. Akt, 2. Akt, 3. Akt, 4. Akt, 5. Akt

Den Film, oder Ausschnitte davon, muss ich wohl bereits in meiner Jugend mal gesehen haben, hatte ihn aber völlig aus den Augen verloren und erst im Jahr 2018 ein paar Teile daraus in der Ausstellung "Kino der Moderne" in der Bundeskunsthalle wiedergesehen – einschließlich einiger Filmfiguren.


1 Kommentar:

  1. Besten Dank für den Bericht und die viele Bilder !
    tobias // trioglyzerin

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