Am Mittwoch besichtigte der
VDE-Bezirksverein Magdeburg das
Wasserkraftwerk Bernburg, das in der ehemaligen Papiermühle seit 1907 betrieben wird. Inzwischen gehört auch die ehemalige Getreidemühle (neben der Schleuse Bernburg) zum selben Kraftwerksbetreiber, dem Familienbetrieb Mathias und Tobias Mönchmeier GbR. Für den Betrieb beider Kraftwerke sorgen insgesamt drei Techniker, von denen einer die VDE-Mitglieder und eine Studentengruppe der Hochschule Magdeburg durch das Kraftwerk führte.
Ausgewählte Leistungsdaten:
Pel 1,3 MW (Turbine 1 und 2: 500 kW, Turbine 3: 300 kW)
Generatoren: Asynchron
Pmech Turbine 1 und 2: 530 kW, Turbine 3: 350 kW
Nenndrehzahl Turbine 1 und 2: 150 min-1
Nenndrehzahl Generator 1 und 2: 750 min-1
Nenndurchfluss: Turbine 1 und 2: 20 m³/s, Turbine 3: 16 m³/s
Nennfallhöhe: 3,5 m
Der Abfluß der Saale war am Mittwoch bei
pegelonline mit etwa 70 m³/s angegeben. Wegen Wartungsarbeiten war Turbine 3 abgeschiebert, die anderen liefen mit verminderter Leistung, um auch für das zweite Kraftwerk etwas Wasser übrig zu lassen. Dennoch war der Lärm in der Kraftwerkshalle so hoch, daß man sich kaum vernünftig unterhalten konnte. Vielleicht lag das an den Treibriemen zwischen Turbine und Generator, hinzu kommen die Geräusche der Turbinen und der luftgekühlten Generatoren. Treibriemen scheinen auf den ersten Blick ein Bauteil aus dem vorletzten Jahrhundert zu sein, bekannt von den damals durch ganze Fabriken laufende Antriebswellen und heute scheinbar nur noch für's Museum tauglich. Die hier verwendeten Riemen allerdings sind aktuelle High-Tech-Produkte, Hybridmaterialien aus Kunststoff mit Lederauflage und mit einer Lebensdauer von 4 bis 5 Jahren Dauerbetrieb. Nach Angaben des Technikers haben sie noch weitere Vorteile: "Sie sind verträglicher bei Kraftstößen, beispielsweise beim Zuschalten des Generators. Außerdem dauert ein Wechsel nur wenige Stunden, während Reparaturen an Getrieben Wochen dauern. Und die Riemen sind preiswerter."
Dem technisch interessierten Besucher leuchteten die Augen bei der modernen und doch altbewährten Kraftwerkstechnik. In den Erklärungen des Technikers kamen auch die Konflikte zum Ausdruck, mit denen Wasserkraftwerke heute umgehen müssen. Die Netzanschlußbedingungen gehören ebenso dazu wie der Naturschutz und die (allerdings kaum noch vorhandene) Schiffahrt. Die Wasserkraftwerke sind von den knapper werdenden Ressourcen der Stromnetze betroffen wie alle anderen Einspeiser auch. "Bei Netzengpässen werden wir über ein Rundsteuersignal gedrosselt oder ganz abgeschaltet. Und das geht automatisch.", sagte der Techniker des Kraftwerks. Und erläuterte, was dann passiert (und woran der Elektrotechniker gar nicht denkt): "Wenn nach weniger als einer Minute die Leitschaufeln zugefahren sind, dann staut sich das Wasser der Saale an und eine Welle läuft die Saale aufwärts." Und das soll je nach Wasserstand durchaus spürbar sein. Beim Naturschutz denkt man zunächst an die Folgen der Kraftwerke für die Fische im Fluß. Die Fischtreppe des Kraftwerks ist bei der Erneuerung des Kraftwerkes für die damals vorgefundenen kleineren Fische gebaut worden. Inzwischen gibt es Vorgaben für größere Wanderfische wie z.B. den Stör, der auch die Saale hinauf und hinab wandern soll, und auch finanzielle Anreize in Form höherer Einspeiseentgelte bei entsprechender Modernisierung. Diese wiegen aber die Kosten für einen Neubau der Fischtreppe nicht auf, so daß es vorerst keine neue geben wird. Ebenso ist die Durchlaßbreite des Rechens vor dem Einlauf ein Streitpunkt. Aktuell beträgt sie 4 cm, bei neueren Anlagen müssen es 2 cm sein. Der Kraftwerksbetreiber sieht solche Fragen, wie die der Durchgängigkeit für Fische, aus energetischer Sicht und damit anders als der Naturschutz. Denn Wasserkraftwerke stehen seit Jahrhunderten an der Saale und es gibt schon lange einen Aufstau des Flusses durch Wehre und Dämme. Da geraten die Bedürfnisse der Natur leicht aus dem Blick. Aber auch mit der Schiffahrt muß man sich arrangieren. Zum einen gibt das Wasser- und Schifffahrtsamt zum Teil das Wasserregime vor, zum anderen geht das bei Schleusungen abfließende Wasser der Energiegewinnung verloren (was auf den Meßgeräten deutlich wird). Daß auf der Saale kaum noch Schiffe fahren, kommt also auch der Energieausbeute zugute. Auch bei Eisgang gibt es unterschiedliche Auffassungen von Kraftwerksbetreiber und Wasser- und Schiffahrtsamt: "uns ist eine geschlossene ebene Eisdecke am liebsten, da fließt das Wasser einfach drunter weg. Aber dann kommen die Eisbrecher und brechen alles in Schollen – und die drücken dann gegen unsere Rechen", war vom Techniker dazu zu erfahren.
Mehr Informationen gibt es auf der
Webseite des Kraftwerksbetreibers und unter
www.wasserkraftverband.de/media/TDEE_2014.pdf und
www.hsi-hydro.com/cms/upload/publikationen/Rohrturbinen.pdf.
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"Freischwebende" Steganlage |
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Blick auf das Wehr der Saale |
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Auslaufbereich der Turbinen |
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Fischtreppe |
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Maschinensaal |
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Turbinenrohr mit Verstellmechanismus
der Leitschaufeln |
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Blick in den Schacht mit der großen Riemenscheibe,
die vom Riemen blankpoliert ist. |
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500-kW-Asynchrongenerator |
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Leitwarte des Kraftwerks |
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Mechanismus der Schieberverstellung |
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Farbakzente im Maschinensaal |
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Exkursionsteilnehmer |
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