Ein großer Vollmond prägte Flyer und Programmhefte der diesjährigen Sinustage. Unübersehbares Zeichen dafür, dass Morton Subotnicks Silver Apples of the Moon im Mittelpunkt des Festivals stehen soll. Der amerikanische Komponist und Pionier der elektronischen Musik Morton Subotnick kam persönlich für einen Vortrag über die Geschichte der (elektronischen) Musik nach Magdeburg. Sein Silver Apples of the Moon war auch Inspiration für das an den Vortrag anschließende Konzert von Stefan Schultze und seinem Large Ensemble. "Ich freue mich sehr, dass Morton Subotnick unserer Einladung gefolgt ist", begrüßte ihn Stefan Schultze.
Der 89jährige Komponist setzte sich in der Mitte des Gartensaales des Gesellschaftshauses vor das Publikum und hielt einen Vortrag über die Geschichte der Musik im Allgemeinen und die Geschichte der elektronischen Musik im Besonderen. Geplant waren 45, am Ende waren es dann 90 sehr interessante Minuten. In seinem Vortrag präsentierte Morton Subotnick Bilder und vor allem Klangbeispiele.
Am Beginn standen die Töne des Nachbaus einer 6500 Jahre alten Flöte, gefunden irgendwo als Grabbeigabe. Für Subotnick war das Anlass, über die Entwicklung von Instrumenten zu sprechen. Dabei vollzog er bald einen großen Sprung - zuerst in das Ende der 30er Jahre und dann mitten hinein in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und seine eigene Arbeit an Musik und Instrumenten. Wie er überhaupt an ein Musikinstrument kam, gehörte zu einer seiner Anekdoten: der 6jährige Morton litt an Problemen mit der Lunge und sein Arzt meinte, das Spiel eines Blasinstrumentes hätte kräftigende Wirkung auf seine Lungen. Er durfte sich aus einem Katalog eines aussuchen, es wurde eine Posaune - nur wusste niemand in der Familie wie man es spielt. „Ich wr wohl ein lausiger Posaunist“, sagte Morton Subotnick, „ich wechselte aber irgendwann zur Klarinette, spielte unter anderem in einer Marching Band“.
Bedeutsam wurden für ihn die 50er Jahre in San Francisco, damals einem Schmelztiegel von Kunst und Technik. Einen "Technologischen Big Bang" nannte er diese Zeit und beschrieb ihn auf einer der Folien des Vortrages mit der Erfindung des Transistors, des Tape Rekorders und der Kreditkarte. Wie passt das zusammen? "Es gab neue Technik, die großen Einfluss auf die Musik hatte – und die Kreditkarte machte möglich, sie zu kaufen und erst später bezahlen zu müssen", sagte er und lacht. Überhaupt war es ein vergnüglicher Vortrag mit vielen Geschichten um die Musik dieser Zeit. Unter anderem traf Subotnick auf Komponisten wie Steve Reich. Die damalige Zeit beschrieb Subotnick als einen großen Aufbruch. "Es gab nun Musik nicht nur von Beethoven und Bach. Analoge Synthesizer, Computer machten möglich, Musik zu machen, wie ein Maler ein Bild malt." Synthesizer wie der "Buchla 100", den er gemeinsam mit Don Buchla entwickelte und Computer, "so groß wie dieser Raum", sagt er und zeigt dabei auf das Rund des Gartensaals des Gesellschaftshauses. "Mein Mantra war damals 'wenn Du etwas für die Menschheit tun kannst, dann tu es'", sagte er und für ihn war das eben, der Musik eine neue Zukunft zu weisen. "Schon 1960 nahmen wir erste Kompositionen für 4 Musiker und 2 Tape Rekorder auf. "Es gab damals auch Stücke, bei denen wir selbst 'die Musik ist schrecklich' dachten - doch die Leute liebten sie", sagte er. Musik wie sie bald auch in Science-Fiction-Filmen zu hören war oder Einzug in psychedelische Werke von Bands wie den Beatles fand.
Fotos vom ersten Loop Recorder sind zu sehen, die es bald in der Blues-Musik gab (und heute jeder Musiker in einem kleinen Kästchen verwenden kann), von damaligen Synthesizern, aber auch Fotos von Subotnicks Bleeker Street Studio. Irgendwann kam der Präsident von Nonesuch Records auf ihn zu, wollte eine Komposition von ihm haben. So entstand sein Silver Apples of the Moon als erstes auf einer Platte veröffentlichtes rein elektronisch entstandene Musikstück.
Den Moog-Synthesizer bezeichnete Subotnick als großen Fortschritt, denn dieser verfügte über eine Tastatur und machte das Spiel wie auf einem herkömmlichen Instrument möglich (dazu war ein Stück von Bach vor, mit elektronischen Klängen interpretiert). "Wir holten so die Vergangenheit in die Zukunft" sagte er. "Aber immer wieder verwendeten wir auch die analogen Synthesizer".
Subotnick berichtet von Festivals, bei denen die elektronische Musik eine große Rolle spielte, vom TRIPS-Festival 1966 etwa oder vom Olympic Art Festival 1984 in Los Angeles, bei dem er elektronische Musik mit Tanzperformances verband. "Es ergaben sich inzwischen neue technische Möglichkeiten, zum Beispiel zur Steuerung der Musik durch Handbewegungen der Tänzer".
Am Ende seines Vortrages stand ein global gemeinter Appell: "Wir müssen als Menschen immer das Gespräch mit dem Publikum führen, über die Musik und auch über die Zukunft sprechen". Und er wirft die philosophische Frage auf, ob es überhaupt Zukunft gebe. "Wir meinen, es gebe Zukunft, aber es gibt nur die Gegenwart. Wir kennen die Vergangenheit, aber die Zukunft haben wir nicht – wir bewegen uns nur in Richtung der Zukunft. Denn alles was passiert, passiert jetzt".
Oliver Schneller, Komponist und einer der Organisatoren von Sinuston, eröffnet den Abend. |
Morton Subotnick wird von Stefan Schultze (rechts) vorgestellt. |
"Mein erstes Instrument war die Posaune" |
Morton Subotnick mit dem Large Ensemble, das im Anschluss Stefan Schultzes Komposition "Silver Apples of the Moon – A handcrafted tribute to Morton Subotnick" aufführte. |
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