Dienstag, 31. Oktober 2017

Reformationskonzert

Musik baut Brücken über die Jahrhunderte hinweg

An den Beginn des Festkonzertes zum 500. Jahrestag der Reformation in St. Jakobi Schönebeck setzte Kirchenmusiker Carsten Miseler ein unüberhörbar kräftiges musikalisches Zeichen. Auf vier Trompeten, mit denen die Musiker mitten im Kirchenschiff standen, spielten sie eine Kanon-Variation eines der wohl bekanntesten Luther-Choräle: „Ein’ feste Burg ist unser Gott“, der  anschließend auch von der Schönebecker Kantorei gesungen wurde. Text und Melodie, vor allem auch in Johann Sebastian Bachs Bearbeitung, sind so allgegenwärtig, dass sie (wie Superintendent Matthias Porzelle später in seinem Grußwort sagte) „zur musikalischen DNA gehören“. Das markante musikalische Thema tauchte dann auch später im Konzert immer wieder auf.

Noriko Abe, Balint Krezinger, Bernd Oelschlägel
und Carsten Miseler (von links) eröffnen das Konzert
mit einem Trompeten-Kanon von Johann Friderich
zur Melodie von „Ein feste Burg ist unser Gott“.

Von Pfarrer Johannes Beyer wurden die Konzertbesucher an diesem Tag vor allem zu musikalischem Genuss eingeladen: „Zur Reformation wurde in diesem Jahr schon so viel gesagt, und vielleicht haben Worte nicht immer geholfen oder haben sich manche Erwartungen nicht erfüllt – die Musik aber verbindet“.

Die Musik verbindet auch über Zeitalter hinweg. Das war in einer erst vor 5 Jahren von Michael Schütz (Jahrgang 1963) komponierten Messe zu hören. Die Konzertbesucher konnten ein Stück moderne Kirchenmusik erleben, bei dem der Komponist ausdrücklich auch Instrumente wie E-Gitarre und Schlagzeug in die Partitur aufgenommen hatte. Die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie wurde dafür um Musiker ergänzt, die sonst in Jazz-Orchestern wie der Uni-Big-Band Halle spielen. Unter Mitwirkung des Kinderchores und der Kantorei wechselte die Musik zwischen einer festlichen Grundstimmung und fröhlichen Melodien, die auch in Musicals gut vorstellbar wären. Das Kyrie gab eine sehr ruhige Stimmung vor, während gleich darauf die Textzeile Ehre sei Gott als ebenso festliche wie fröhliche Lobpreisung gesungen wurde. Die Messe war ein sowohl kraftvoll und berührend gesungenes Glaubensbekenntnis wie auch ein lebensnahes Stück Musik, das die Seele berührte.

Der zweite Teil des Programms gehörte vor allem einer großen sinfonischen Komposition: Felix Mendelssohn Bartholdys Reformations-Sinfonie von 1830. Diese erwies sich als ein Werk mit einer sehr starken Dynamik. Auf einleitende leise Streicherklänge folgten kräftige Fanfaren, in denen Mendelssohn geistliche Melodien zitiert. Mal zarte Klänge, dann wieder Einflüsse aus osteuropäischen Volksliedern, Bläserklänge, die an eine Pastorale erinnern oder auch tänzerisch beschwingte Melodien. Am Ende stimmte eine zarte Flötenstimme Luthers Choralmelodie von der „Festen Burg“ an, die dann von den anderen Instrumenten aufgenommen wurde, immer kräftiger werdend, so als versammelte sich das Volk zu Füßen des Reformators, als wollte eine große Menschenmenge die reformatorischen Ideen mit Macht im ganzen Land verbreiten. „Eine sehr beeindruckende Komposition“, erklärt Dirigent Gerard Oskamp, „und für einen Dirigenten hervorragend, weil es viel zu gestalten gibt“. Und er fügt hinzu, „die Sinfonie erfordert eine sehr große Besetzung, für die wir die Kammerphilharmonie noch mit Gastmusikern ergänzt haben“. 

In seinem Grußwort vor der Konzertpause regte Schönebecks Oberbürgermeister Bert Knoblauch an, das Reformationsjubiläum als Anlass zu nehmen, auch über die Bedeutung häufig verwendete Begriffe wie dem vom „Christlichen Abendland“ genauer nachzudenken. Und dabei ist er wohl ganz bei Luther, der die Bedeutung der Sprache kannte und sie nutzte. Vor allem aber freute ihn, alte Kirchenlieder in Verbindung mit neuer Musik zu hören und dabei eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Kammerphilharmonie und Kantorei zu erleben.

Matthias Porzelle, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Egeln, sprach von der Musik, die zu Luthers Zeiten „eine Brücke war, über die der Glaube zu den Menschen kam“, die danach aber immer auch eine Brücke zwischen den Konfessionen darstellte (nicht ohne Grund findet man viele der Kirchenlieder sowohl im evangelischen Gesangbuch als auch im katholischen Gotteslob) und in der er auch heute eine Brücke zwischen dem Glauben und der Welt sieht. Mit Blick auf den in der Pause folgenden Sektempfang gab er dem bei anderen Anlässen üblichen „Zum Wohl“ eine tiefere Bedeutung: „Wir können uns aus tiefem Grundton zuprosten, Gott zur Ehre und dem Menschen zum Wohlergehen und zum Frieden, in diesem Sinne: Zum Wohl!“.
 
Zu Sekt und Saft gab es in der Pause Gebäck, das in Anlehnung an die Luther-Rose entstand. „Ich habe Bäckermeister Ketzer gefragt, ob er nicht etwas in dieser Form backen könnte“, erklärte Pfarrer Beyer zu dem süßen Hefestück mit Marmeladenklecks.

Wie geht es nun nach dem großen Fest musikalisch weiter? Kirchenmusiker Carsten Miseler konnte gleich auf die bereits laufenden Vorbereitungen zum Weihnachtsoratorium verweisen, bei dem die Musik diesmal eine weitere Brücke schlägt, hin zum Schönebecker Gymnasium: „In diesem Jahr wird uns erstmalig der Chor des Gymnasiums unterstützen“, sagte Miseler, der im Gegenzug als Musiker beim Weihnachtskonzert des Gymnasiums mitwirken wird.

Und wie blickt Johannes Beyer nach dem Jubiläum in die Zukunft? Dazu hatte er eine kleine Anekdote parat: „Vor kurzem sprach ich im Gottesdienst davon, dass wir ab jetzt auf 600 Jahre Reformation zugehen, aber das werde wohl keiner der Anwesenden erleben. Darauf hin meldete sich ein sechsjähriges Mädchen zu Wort und sagte, »mal sehen, vielleicht doch«“.

Mitwirkende:
Mitteldeutsche Kammerphilharmonie
Schönebecker Kanorei und Kinderchor der Kantorei
Dirigenten: Carsten Miseler und Gerard Oskamp

Ronny Boer – E-Gitarre
Conrad Steinhoff – E-Bass
Vincent Thormann – Schlagzeug

Conrad Steinhoff (E-Bass) und
Ronny Boer (rechts, E-Gitarre)
Vincent Thormann (Schlagzeug)
Carsten Miseler
Gerard Oskamp
Johannes Beyer begrüßt die Gäste
des Reformationskonzertes
Oberbürgermeister Bert Knoblauch
Matthias Porzelle

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