Dienstag, 10. Juli 2012

TFF 2012 – mein Fazit

Das Festival ist vorbei, spät in der Nacht ging es zurück nach Hause – mit dem Kopf voll Musik. Noch jetzt, am Tag zwei nach dem Festival klingt einiges an Musik nach, und während ich diese Zeilen schreibe, läuft die CD von Chumbawamba, einem meiner (wenn nicht sogar dem) diesjährigen Festivalfavoriten.

Es waren wieder dreieinhalb Tage voller Musik, mit einer großen musikalischen Vielfalt. Die Musiker, die gute Musik mit interessanten Texten, oft auch mit politischen Aussagen verbanden, gefielen mir am meisten. So wie eben Chumbawamba. Und natürlich der diesährige Ruth-Preisträger Hannes Wader, der als lebende Legende auf der Bühne stand. Aber auch die Tänze waren immer sehenswert und mitreißend. Sowohl auf der großen Bühne, mit fast schon akrobatischer Meisterschaft als auch im Tanzzelt, wo man (sogar ich als vorgeblicher Nichttänzer!) nicht anders konnte als mitzumachen. Und es bleibt (auch beim nachträglichen Blick auf den Zeitplan) wie in jedem Jahr ein Gefühl zurück, wahrscheinlich ebensoviel verpaßt zu haben, wie man gesehen und gehört hat. Alles auf einmal ging einfach eben nicht. Manches wurde gezielt angesteuert, anderes eher im Vorbeigehen und zufällig gehört. Aber: egal welche Musik, es war alles interessant, die Organisatoren hatten ein gutes Händchen bei der Auswahl und Programmgestaltung.

Überschattet wurde das Festival am Freitag vom Herzinfarkt des Konzertina-Spielers Horst Voit auf offener Bühne, während er beim Konzert der Magic Concertinas spielte. Glücklicherweise waren im Publikum auch einige Ärzte anwesend, so daß durch sofortige Hilfe sein Leben gerettet werden konnte. Und als nachträglich eingefügter Eintrag dazu: Wolfgang Meyring sagte in der Tonart vom 16. Juli im Deutschlandradio Kultur, daß sich Horst Voit inzwischen auf dem Weg der Besssererung befinde.

Nicht ganz unwichtig (wenn auch nicht in der Hand des Veranstalters liegend): in diesem Jahr paßte das Wetter: es regnete zwar, aber nur einmal und nur kurz während der Konzerte, ansonsten nur vormittags, als man unter dem Caravan-Vordach das Ende des Regens abwarten konnte.

Die Ton- und Lichttechnik war auf fast allen Bühnen sehr gut, ein herzlicher Dank auch an die Techniker. Nur die Bühnen im Handwerkerhof und an den Bauernhäusern im Park waren eine Zumutung, für die Zuhörer, die dort nichts verstehen konnten, aber sicher ebenso auch für die Musiker: solche miserablen Auftrittsorte hat niemand verdient.

Montag, 9. Juli 2012

TFF 2012 – nebenbei gesehen

Noch ein paar Eindrücke vom TFF 2012 abseits der Konzerte:

Beim Aufstieg zur Burg kamen wir oft bei Elmo vorbei, dem sehr verschmusten Kater, der sich anscheinend extra vor sein Gartentürchen legte, um sich seine Streicheleinheiten zu sichern. Später hatte er genug und schlief zusammengerollt – keine Chance ihn durch Rufen und Locken munterzubekommen.


Ein Junge balancierte mit seinem Einrad auf dem Geländer der Fußgängerunterführung zwischen Caravanplatz und Innenstadt. Wo man bestenalls noch auf den Füßen balancieren würde, fuhr er mehrere Meter weit auf dem Geländer und sprang als er davon abkam, noch mitsamt dem Einrad, ohne abzusteigen, runter auf den Gehweg. Was man auf dem Foto nicht sieht: unterhalb des Geländers geht es einen weiteren Meter abwärts. Chapeau!


Zum Umfeld des TFF gehören auch Artisten, so wie zwei Feuerzauberer, die das Dunkel des Parks mit ihen Flammen erhellten.

Feuerzauber

Sonntag, 8. Juli 2012

TFF 2012 – der Sonntag

Am Sonntag merkte man schon die etwas müden Füße. Dennoch mußten sie nach einem erholsamen Schlaf wieder ihren Dienst tun. Es ging rüber zur Stadt, woe Maik Mondial auf dem Schulplatz Balkan-Beats und Polkaklänge spielten.


Danach rüber zur Kirche, um Skáidi zu hören, ein sehr interessantes Zusammenwirken der samischen Sängerin Inga Juuso und dem norwegischen Bassisten und Sänger Steinar Raknes. Die samischen Gesänge, die Joikis, stammen aus einer für uns völlig fremden Sprachwelt und wirken lediglich über ihren Klag und ihre Sprachmelodie. Dabe klingen sie ein wenig nach schamanischen Obertongesang, was vielleicht auch einer ihrer Ursprünge sein mag. Raknes' nach Bob Dylan klingende Stimme mit den englischen Texten schien eine Art Übersetzung der Joikis zu sein, vielleicht auch eine Wechselgesang, jedenfalls schien der Sinn der Joikis auf eine eigenartige schöne Weise verständlich.


Zurück an die Konzertbühne im Park, dort spielte Holly Geraghty (harp, conc) mit ihrem Trio, mit Jonathan Roche (acc) und Mat Griffin (g). Drei noch recht junge Musiker, die die irischen Melodien mit Können und Leidenschaft spielten. In ihren Moderationen zwischendurch ließen sie auch regionale Eigenarten erkennen, bis hin zum Erläutern von Rivalitäten zwischen den benachbarten Orten, aus denen sie stammen.


Auf der großen Bühne nochmal Yi Jia Ren mit ihren eigenwilligen chinesischen Instrumenten und Tönen.


Kurz nochmal hoch zur Burg, um den schon müden Füßen etwas Arbeit zu geben und Alison Krauss & Union Station zu hören. Traditionelle amerikanische Bluegrass-Musik.


Zurück im Park kurz an der großen Bühne bei Les yeux d' la tete reingehört, schwungvolle französische Musik, irgendwo zwischen Chanson, Musette und Jazz.


Zum Erlebnis wurde der Auftritt von Chumbawamba, einer Band aus Leeds in England, die akkuraten Gesang mit politisch anspruchsvollen, links einzuordnenden Texten verbindet. Dabei nehmen sie durchaus auch aktuelle Strömungen auf's Korn, wie beispielsweise bei "Add me as a friend", ohne aber darüber die wichtigeren politischen Inhalte zu vergessen. So wie beim Song "torturing James Hetfield", in dem sie die Verwendung von Musik der Band Metallica zum Foltern von Gefangenen in Guantanamo ebenso anprangern wie die Unterstützung dieses Mißbrauchs von Musik durch den Metallica-Sänger James Hetfield.
Erst einige Tage nach dem TFF erfuhr ich, daß Chumbawamba, die auf dem TFF 2012 ihr 30jähriges Jubiläum feierten, inzwischen ihre Auflösung bekanntgegeben abe, daß mein erstes Chumbawamba-Konzert also auch mein letztes gewesen sein soll. Schade!


Auf dem Rückweg zum (zwischenzeitlich bereits zur Abfahrt fertiggemachten) Wohnmobil noch ein ganz kurzer Stop an der großen Bühne im Heinepark, wo das allerletzte Konzert des TFF begann, mit Gentleman & The Evolution, einem deutschen Reggae-Musiker. Mit der Musik hieß es dann endgültig Abschiednehmen vom TFF – bis zum TFF 2013.

Samstag, 7. Juli 2012

TFF 2012 – der Sonnabend

Als erstes großes Konzert stand am Sonnabend der Auftritt von Hannes Wader an. Schon heute eine lebende Legende – und schön, ihn auf der großen Bühne erleben zu können, die alten und auch ein paar neue Lieder zu hören. Ist es einer gewissen Sentimentalität geschuldet oder einer langen Vertrautheit mit Liedern wie "heute hier morgen dort" oder "Es ist an der Zeit", daß mir die alten Lieder besser gefielen? Der Platz im Burghof war bis auf den letzten Quadratmeter gefüllt, in der Hitze des strahlenden Sonnenscheins waren viele schon lange vor dem Konzert auf die Burg gekommen.

Hannes Wader (D)
Zum Wader-Konzert war dieBurg anscheinend bis
auf den letzten Platz gefüllt.

Auf dem Markt gehörte die Bühne dem Tanz. Die Moulton Morris Men führten uralte, möglicherweise aus Spanien eingewanderte englische Tänze auf, die Morris dances. Gekleidet in historische Gewänder, und mit Schellen an den Füßen, die den Rhytmus der Musik verstärkten.

Moulton Morris Men

Mit Tanz ging es auch gleich weiter, als Tangará aus Berlin Capoeira-Tänze auf die Bühne brachten. Eine Art von Tänzen, die früher von Sklaven in Brasilien ausgeübt wurden, um das Üben von Kampftechniken zu verschleiern. Was da auf die Bühne kam, war tatsächlich eine Mischung aus Tanz und Kampfsport, mit großem artistischen und sportlichen Können.

Tangará

Am Theaterplatz vorbei, wo Hasenscheiße tanzbare Musik mit witzigen Texten brachten, ging es rüber in den Park.

Hasenscheiße

Erst zu Narasirato von den Salomonen-Inseln, die in traditioneller Lendenschurz-Tracht und mit exotischen Bemalungen auf Panflöten und riesigen Schlitztrommeln wunderbare tropische Klänge in den kühlen deutschen Sommer zauberten.

Narasirato

Dann weiter ins Tanzzelt. Bollnäsbydgens Spelmanslag spielte dort alte schwedische Tanzlieder. Das Ensemble aus über dreißig Violinen, dazu noch E-Baß, E-Gitarre und Drehleier, mit Musikern zwischen 10 und 80 Jahren, steht stellvertretend für eine neu entstandene Tradition in Schweden, die alte Musik lebendig hält. Musik die durchaus auch tanzbar ist, und vor allem: Spaß macht – den Musiker ebenso wie den Tänzern.

Bollnäsbydgens Spelmanslag spielen zum Tanz

Am Abend ging es wieder rüber in die Stadt. Im Handwerkerhof spielte Fork & Fiddle aus Leipzig. Leider unverstärkt, wodurch die Musik ab einer Entfernung von wenigen Metern in der Lautstärke der im Handwerkerhof an Essenstischen sitzenden Leute unterging. Bereits bei früheren Konzerten hatten wir nur kurz in den Handwerkerhof reingeschaut und ihn wegen der schlechten akustischen Verhältnisse bald wieder verlassen – für die Musiker ist dies ein überaus undankbarer Auftrittsort. Für uns nicht so tragisch – am 28. Juli sind Fork & Fiddle zu Gast beim Elbe-Saale-Camp.

Fork & Fiddle

Auf der Markt-Bühne sangen derweil nochmal Gong Linna und DabaiSang. Der Stimmumfang von Gong Linna, die Musik der Peking-Oper erklärte, war erstaunlich, von tief aus dem Bauch kommenden tiefen bis zu schrillen hohen Tönen.

Gong Linna und DabaiSang

Am Abend versuchten wir noch, die Musik von McGinley & Murphy an den Bauernhäusern im Heinepark zu hören. Aber auch für diesen Ort galt das für den Handwerkerhof gesagte: die von den Musikern mitgebrachte Technik reichte nicht, die Zecher der dortigen Weinstube zu übertönen.

Abendstimmung an den Bauernhäusern
(mit McGinley & Murphy)

Auf dem Rückweg durch den dunklen Park kamen wir noch an einer Bühne der Kulturinsel Einsiedel vorbei, die gar nicht zum Festivalprogramm gehörte. Eine Gruppe junger Musiker spielte und sang dort – so gab es noch ein unerwartetes Gutenachtlied.

Bühne der Kulturinsel Einsiedel

Zur romantischen Atmosphäre des dunklen Parks paßten die zwei Feuerzauberer, die das Dunkel mit ihen Flammen erhellten.

Feuerzauber

Freitag, 6. Juli 2012

TFF 2012 – der Freitag

Bereits am Freitag gab es wie an den folgenden Tagen das Problem, zu entscheiden zu welchem Konzert man geht. Nicht einfach bei den vielen parallelen Konzerten auf den großen und kleinen Bühnen. Also erst mal ab in die Stadt, einigen Straßenmusikern lauschen. Darunter ein Marimbaspieler, dem man auch an den weiteren Tagen hier und dort in der Stadt hören konnte. Die warmen Töne des Instruments klangen weit durch die engen Gassen, vor denen es aufgestellt war. Und auch SumSum aus Israel und Frankreich gehörten zu den ersten musikalischen Eindrücken. Mit Gypsy- und Osteuropamusik begeisterten sie das Publikum in der Fußgängerzone.



SumSum (ISR, F)

Auf den großen Bühnen (der auf der Heidecksburg) begann der Freitag für uns mit Pigor und Eichhorn. Feines Musikkabarett, und auf jeden Fall interessant, die beiden, die wir sonst nur aus Sendungen wie den Querköpfen oder von RBB Radio Eins kannten, mal gesehen zu haben. Denn zu einem normalen Tour-Auftritt wären wir wohl eher nicht gegangen. Die Lacher hatten die beiden auf jeden Fall spätestens bei "Nieder mit der IT" auf ihrer Seite.

Pigor und Eichhorn (D)

Gleich im Anschluß ging es rüber auf die Burgterasse, zum Konzert der Magic Concertinas. Die Konzertina war das Magie-Instrument des diesjährigen TFF. Und so wurden Konzertinaspieler aus der ganzen Welt eingeladen um miteinander zu musizieren. Darunter Holly Geraghty (IRL), Alistair Anderson (GB), Rainer Prüß (D), Juanjo Mosalini (ARG).
Und als Gast – als (wie es das TFF-Programmheft schreibt) deutschland- und weltweit letzter Spieler der deutschen Konzertina – kam der 78jährige Horst Voit auf die Bühne. Trotz seines hohen Alters spielte er mit scheinbar leichter Hand Tanzmelodien, wie er sie so oft mit seiner Band in den Tanzsälen der umliegenden Dörfern spielte. Und als Reverenz an Rudolstadt: Hoch Heidecksburg. Dann das Unfaßbare: bei seiner Zugabe schien es, als hätte er sich nur ein wenig verspielt und er habe in einer resignierenden Geste seine Finger von den Tasten gleiten lassen. Erst Augenblicke später, als er leblos auf seinem Stuhl zusammensank, merkten seine Mitmusiker und das Publikum, daß schlimmeres passiert war. Voit wurde in den hinteren Bereich der Bühne getragen, es wurde nach einem Arzt gerufen. Pumpende Bewegungen ließen die Herz-Druckmassage erahnen, was auf einen Herstillstand schließen ließ. Schweigend und in bedrückter Stimmung verließ das Publikum die Terasse, noch bevor das Konzert später auch offiziell abgebrochen wurde. Zwei Stunden später konnte Jo Meyer vor dem nächsten Konzert zumindest bekanntgeben, daß die schnelle Hilfe Horst Voit vorerst retten konnte. Gleich elf Ärzte seien aus dem Publikum auf die Bühne gekommen und auch der Rettungswagen war sofort zur Stelle. In der Presse war später zu lesen, daß Horst Voit nach einem Herzinfarkt auf der Intensivstation liegt. Mehr war nicht zu erfahren - wünschen wir ihm von hier aus gute Besserung.

Magic Concertina
Rainer Prüß (D)
Leonie Avenant und Mariaan Wiese (ZAF)
Horst Voit (D)

Zurück auf dem Marktplatz sahen wir auf der dortigen Bühne ein kurzes Stück der China-Revue, bevor es wieder bergan ging (das Auf und Ab zwischen Stadt und Burg ist schon eine sportliche Anstrengung), um dort noch ein wenig vom Konzert der Thüringer Philharmoniker und Gong Linna zu hören und dann zur Burgterasse zu wechseln.

Yi Jia Ren (CN)
Thüringer Symphiniker (D) und
Gong Linna und DabaiSang (CN)

Dort spielten dann Dota Kerr und die Stadtpiraten. Deutschsprachige Musik mit anspruchsvollen Texten, in denen sie sich sowohl mit dem menschlichen Miteinander als auch mit aktuellen politischen Themen auseinandersetzt. Das Konzert war wunderbar und begeisternd!

Dota und die Stadtpiraten (D)
Konsertbesucher auf der Burgterasse

Auf der Marktbühne begann währenddesssen das Konzert von Heinz Ratz und Strom und Wasser featuring "The Refugees". Bereits auf dem letztjährigen TFF hatte Ratz darüber berichtet, daß unter den Asylbewerbung auch viele Musiker seien, die in ihrer Heimat wegen ihrer Musik verfolgt würden und in den Asylbewerberheimen ohne Instrumente und damit ohne Musik machen zu können leben würden, oft von der Abschiebung bedroht. Ihnen die Musik und die Würde zurückzugeben war Ratz' Ziel, und zumindest ein wenig wird er es auch erreicht haben.

Heinz Ratz und Strom und Wasser featuring "The Refugees"

Nach dem Ende der Konzerte in der Stadt ging es nachts noch bis halb zwei im Park weiter. Auf der großen Bühne ließ Systema Solar die Luft brennen. Sie brachten aus Columbien die lateinamerikanische Musik mit, mit der sie als DJs über die Dörfer ziehen. Mitreißende Rhythmen.

Systema Sola (CO)

Mitreißend war aber auch das, was Tickled Pink im Tanzzelt auf die Bühne brachten. Traditionelle englische Tänze und Reels mit durchaus rockigem Klang, mit zwischengeschobenen Anleitungen zum Tanzen (wer bereits am Nachmittag bei ihrem Tanzworkshop dabei war konnte die dort erlernten Tanzschritte zum Einsatz bringen). Die Tanzfläche bebte unter den Schritten der Tänzer und selbst als erklärter Nicht-Tänzer wagte ich mich auf die Tanzfläche – und war überrascht über den Spaß dabei.

Tickled Pink (GB)