Tabu, ein in der Südsee spielender Stummfilm, der letzte Film des großen Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau, wurde heute mit Live-Begleitung durch die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie Schönebeck aufgeführt. Ein dramatischer Film mit einer zwar ungewöhnlichen, aber sehr stimmigen Musik. Komponiert wurde sie bereits 1988 von der rumänischen Komponistin Violeta Dinescu.
Die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie unter Leitung von Jan Michael Horstmann führte Murnaus letzten Film "Tabu" auf. |
Der 1930/31 gedrehte Film stammt aus der späten Zeit der Stummfilm-Ära und hat mit 81 Minuten bereits Spielfilmlänge. F. W. Murnau, vor allem durch "Nosferatu" und für seinen Einsatz von Licht und Schatten bekannt, hat auch in seinem letzten Film Momente eingebaut, bei denen schon allein vorüberstreichende Schatten für Spannung erzeugt. Auch wenn hier die Schatten und die Kontraste weicher sind, funktioniert das. Und es ist vermutlich auch der erste oder einer der ersten Filme, in denen ein Hai eine Rolle spielt. Die Wikipedialiste von Filmen mit Haien beginnt jedenfalls erst 1947. Wegen eines menschenfressenden Hais (in einer damals wohl aufsehenerregenden Unterwasseraufnahme) wird nämlich eine Meeresbucht trotz der besonders großen Perlen zum Tabu erklärt.
Das eigentliche Tabu besteht aber für die junge Reri, die sich gerade erst in den Perlentaucher Matahi verliebt hat, aber dann vom Häuptling der Nachbarinsel als göttliche, unberührte Jungfrau gefordert wird. Matahi und Reri fliehen, werden aber wieder aufgespürt und letztlich nimmt die Geschichte ein tragisches Ende.
Der Film wurde auf Originalschauplätzen in der Südsee, auf Thaiti und Bora Bora gedreht. In idyllischer heller Landschaft sieht man schöne junge Frauen und Männer, darunter auch Reri und Matahi, in paradiesischer Umgebung miteinander in tropisch warmen Wasserfällen spielen, einander necken, sich verlieben. Anfänglich scheint die europäisch geprägte Neue Musik nicht ganz zur Handlung passen. Als dann aber im Film ein Dorffest beginnt, die tanzenden Füße der Tänzer virtuos vom Schlagzeug begleitet werden, da ist man plötzlich drin im Zusammenspiel von Handlung und Musik. Spätestens da hat man sich reingehört und die Musik passt genau zu Film und Dramaturgie.
Als dann das Schiff Moana von der Nachbarinsel kommend eintrifft, mit dem Krieger Hito als Abgesandten des Häuptlings, als alle in ihre Kanus springen und dem Boot entgegen fahren, da wandelt sich die Musik zu einer Mischung aus Südseeklängen und kriegerischen Rhythmen. Schon da wird akustisch die Bedrohung deutlich, wo sie im Film gerade zu erahnen ist. Die Stimmung schwankt zwischen ausgelassen fröhlich und tieftraurig.
Auch wenn Reri und Mtahi auf eine weitere Insel fliehen, so werden sie dort wieder von Unheil eingeholt. Vom chinesischem Händler und Gastwirt, bei dem sich Matahi verschuldet, oder wenn der Krieger Hito immer wieder wie ein Geist auftaucht und sein Recht fordert. Nein, es ist nicht alles gut im Südseeparadies, und Murnau zeigt das deutlich. Geld und Alkohol zerstören das natürliche Zusammenleben der Menschen. Und aus heutiger Sicht wird auch deutlich, wie sich die Frauen dem Willen der männlichen Priester unterordnen müssen. Letztlich führt beides zum tragischen Ende.
Die Musik stellt hohe Ansprüche an die Musikerinnen und Musiker, die zugleich konzentriert spielen als auch auf die Handlung eingehen müssen. Vor allem die Schlagzeuger sind gefordert. Mit den Gästen Tomi Emilov und Fernando Reis an Xylofon und Percussion verstärkte das Orchester seinen Schlagzeugpart. Auch Martin Eckenweber (Klavier und Orgel) und eine Harfenistin wurden extra für dieses Konzert verpflichtet. Wie kam die Idee zur Filmaufführung zustande, kennst Du die Komponistin perönlich, frage ich Jan Michael Horstmann. "Die Filmmusik von Violeta Dinescu gibt es schon seit 1988 und wurde inzwischen von vielen Orchestern gespielt", sagte der Dirigent, "und ich habe sie selbst persönlich kennengelernt, als sie in meiner Zeit als stellvertretender Generalmusikdirektor in Magdeburg die Ballettmusik für Effi Briest schrieb". Ungewohnt war, dass Horstmann das Orchester sitzend dirigierte. Das geschah ganz einfach um dem Publikum nicht die Sicht zu nehmen. War aber auch nicht ungewöhnlich, schließlich sitzt sonst mitunter auch am Cembalo und leitet das Orchester von dort aus.
Am Ende gab es großen Applausfür das Orchester, das seinem Repertoire eine neue Nuance hinzufügte. Gibt es nach diesem Erfolg in der nächsten Saison vielleicht einen weiteren Stummfilm? "Die eine oder andere Idee hätte ich jedenfalls schon", antwortet Jan Michael Horstmann,
(Aus dem Film durften nach Vorgabe der Murnau-Stiftung nicht auf Fotos gezeigt werden und mussten daher leider verpixelt werden.)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen