St. Jakobis Pfarrer Johannes Beyer kündigt den Sänger an als jemanden, von dem er schon zu DDR-Zeiten eine Platte hatte und über den er damals dachte "wenn ich groß bin, dann hole ich ihn zu einem Konzert". Und ergänzte augezwinkernd "und nun bin ich groß ...". Schon die Begrüßung der Konzertbesucher durch Colum Sands, ein einfaches, freundliches "good evening, my friends", wird zum ersten Song des Iren, der darin von seiner Reise berichtet, von den Flughäfen mit ihren Kontrollen, von den Konzerten, und vom deutschen Sommer, der so anders ist als der irische. In seiner sympatischen Art zu singen und mit seiner Mischung aus Englisch und Deutsch, wenn er erzählt, nimmt er das Publikum von Anfang an für sich ein.
Das Konzert ist keines der rein traditionellen irischen Folk Music. Wohl aber in deren Tradition, in einfachen Liedern und Melodien Geschichten zu erzählen. Und da erweist sich Colum Sands auch als Philosoph, der über den Sinn des Lebens nachdenkt, der seine Zuhörer fragt, "muss man immer arbeiten?", der erklärt "Immer fleißig zu sein ist auch eine Art Faulheit. Man ist dann zu faul – oder nimmt sich nicht die Zeit – die schönen Dinge zu betrachten". Und singt vom "Lazy hill", auf dem er einfach unter einem Baum sitzt.
Colum Sands berichtet von seiner Heimat, "irgendwo an der Grenze zwischen Nord Irland und der Republik Irland", und sagt über diese gerade jetzt in der großen Politik sehr relevante Gegend, "diese Grenze brauchen wir nicht". Das Misstrauen hatten wir dort lange genug, singt er in einem Lied. Wenn er in seinen Songs Landschaften beschreibt, mit einfachen, verständlichen Texten, dann schafft er es, in den Gedanken der Zuhörer Bilder zu erzeugen. Seien es Bilder von Haus und Fluss ("like the Elbe here") oder wenn er Migranten beschreibt, die seit tausenden Jahren von Afrika nach Europa kommen: Schwalben die auf den Telefondrähten einer Telefonzelle am Rande der Wüste sitzen. Nach Deutschland kommen sie, um dort ihr Nest zu bauen. Und er berichtet von seiner Tochter, die ihm, als sie 10 Jahre alt war, auf die Frage antwortete, wo für die Menschen zu Hause ist: "dort wo die Kinder geboren werden". "Nur können manche Menschen dort nicht bleiben", sagt er dem Publikum und widmet das nächste Lied den Tausenden, die auf den Ozeanen dieser Welt unterwegs sind.
Oft sind es auch die einfachen Menschen, die er in seinen Liedern in den Mittelpunkt stellt. Er singt über die weisen Frauen auf dem Lande, deren Tür immer offen steht, wenn Freunde oder Enkel kommen, wie seine Tante Meggy ("go to the well with Meggy") oder über den Cellisten von Sarajevo, Vedran Smailović, der für die 22 Opfer eines Bombenangriffs 22 Tage lang in den Trümmern Cello spielte, ohne auf die Gefahr von Bomben oder Scharfschützen Rücksicht zu nehmen. "War er verrückt?", fragte Sands, "oder sind es die, die Bomben auf Sarjevo warfen?" So singt er sein Lied für die Straßenmusiker dieser Welt, die die Welt ein Stück besser machen und "mit ihrer Musik den Himmel zwischen der Erde und dem Himmel füllen" – "near the Cologne Cathedral or in the streets of Sarajevo, where the death walks all the day".
In einigen der Lieder lädt Colum Sands zum Mitsingen ein, wie in dem vom Muli, ein kleines Scherzlied, das mit den Worten behind – before / be for spielt (und für das Schönebecker Publikum zwar einigermaßen schwierig, aber dennoch recht lustig war) oder Refrains anderer Lieder, manche auch nur zum Mitsummen oder einfache Silben mitsingen. Sowohl das Publikum als auch der Sänger selbst hatten ihren Spaß daran.
Gegen Ende des Konzertes holte Colum Sands seine 120 Jahre alte Konzertina hervor, mit der er bereits auf dem Cover der 1981 bei AMIGA erschienen Platte zu sehen ist, und begleitet darauf eine tieftraurige Ballade von einer Meerjungfrau, die sich in einen Menschen verliebt. Anschließend noch seinen Goethe Song, seine Adaption von Goethes "Nähe des Geliebten".
Colum Sands kommt in seinen Liedern immer wieder zur Natur, zum einfachen Leben zurück und singt an gegen Apathie und Gleichgültigkeit. Sein Lied vom Kampf gegen Hochhäuser, für die ein alter Eichenwald gefällt werden sollte, hätte wohl auch gut zum Hambacher Forst gepasst. Der Eichenwald steht immer noch.
Das Konzert klingt nach ein, zwei Zugaben ganz leise aus, mit einem Lied über Brot, das eigentlich ein Antikriegslied ist und zu dem Sands die Geschichte eines Bäckers erzählt, der im ersten Weltkrieg das Glück hatte, in der ersten Schlacht seinen rechten Zeigefinger zu verlieren und dann wieder das machen konnte, was er gelernt hatte: Brot zu backen. Und mit einem irischen Reisesegen und dem vom Publikum leise mitgesungenen Refrain
Rest for awhile now the night is young
The time is short and the road is long
Tell me a story I’ll sing you a song
For tomorrow the road will be calling us on
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen