Donnerstag, 22. November 2018

Wenzel: Wo liegt das Ende dieser Welt

Wie so oft startete Wenzel die Tour zur Vorstellung seiner neuen CD in Magdeburg. Mit seinem Konzert brachte er ein Stück sommerliche Fröhlichkeit in den grauen Novemberabend. Aber auch düstere, nachdenkliche Töne, von denen seine neue CD "Wo ist das Ende dieser Welt" auch einige enthält.
Hans-Eckard Wenzel – Akkordeon, Klavier, Gitarre, Gesang
Hannes Scheffler – Gitarren, Baß, Gesang
Thommy Krawallo – Gitarren, Baß, Gesang
Manuel Agostinho Pereira Abreu – Trompete
Stefan Dohanetz – Schlagzeug

Wenzel ist auch auf seiner neuen CD ein Erzähler von Geschichten. Geschichten, die sich aus Assoziationen zu seinen lyrischen Sprachbildern heraus im Kopf des Zuhörers entwickeln. Oft sind es auf den ersten Blick recht einfach gereimt wirkende Texte, hinter denen sich in Verbindung mit der kräftigen Musik eine Gefühlsebene aufbaut. So wie gleich zu Beginn in "Nur der Mond", wo dieser mit großer Gerechtigkeit auf die Erde, auf die Verzweifelten dieser Welt schaut. Der Refrain, zu tiefen Bässen und dröhnenden Becken- und Schlagzeugklängen ist es dann auch, der mir noch lange nach dem Konzert in Erinnerung blieb.

Auch "Theresienstadt" ist solch ein Lied, das übrigens live sogar noch stärker klang als auf der CD. Stefan Dohanetz' Paukentöne begleiten im Sekundentakt wie ein schlagendes Herz das Lied und erzeugen körperlich spürbar ein beklemmendes Gefühl. Mit Anklängen an frühere Lieder, in denen Wenzel bereits an Zeiten erinnerte, als "Schwaden Rauch sich auf die Erde legten". Wenn Wenzel singt Da kam mir nah, was doch so weit / dass ich erschrocken stand / es heilet nichts nur durch die Zeit / es lebt wohl weiter in dem Land, dann findet sich darin das wieder, was ihn immer wieder umtreibt und was er auch zu seinem Lied sagt: die Sorge, daß "es wieder so kommen könnte". 

Die eingängigen Texte schaffen es, dass man unwillkürlich die Fortsetzung der Textzeile mitdenkt und erst später den Sinn erfasst. So wie in den vielen Fragen von "Warum ist der Mond keine Scheibe", in denen Wenzel zwischen Nonsens-Fragen wie warum die Flaschen meistens leer sind auch Fragen existenzieller Art schiebt, warum ist die Erde keine Scheibe, / warum wird es dunkel ohne Licht / warum haben mache keine Bleibe / warum gilt das Eigentum als Pflicht / ... warum streut man Gift in unser Essen / warum wird man freiwillig Soldat?

Später singt Wenzel auch von einer Welt, die so schön sein könnte "Wenn nur diese Fratzen nicht wär'n". Das war dann schon eines der Lieder, die laut mitgesungen wurden. Denn auch das war Bestandteil des Konzertes, Lieder die dem Publikum so vertraut waren, daß schon wenige Töne auf der Gitarre oder dem Akkordeon reichten, um das nächste Lied zu erkennen. Spätestens bei "Ahoi, Ahoi" war der Punkt gekommen, an dem alle den Refrain mitsangen, so wie auch bei der "Zeit der Irren und Idioten" oder "Schöner Lügen".

Die aktuelle CD hat einige Lieder, in denen mich die Melodien her an frühere erinnerten und eine seltsame Vertrautheit beim Hören erzeugten. Und bei "Heute habe ich so gut wie nichts gemacht" habe ich später im Booklet der CD nachgesehen, ob Wenzels Hommage an das nichts tun, an das "auf nichts warten" nicht etwa von einem seiner großen Vorbilder Woody Guthrie stammte. 

Ich könnte selbst nicht mal genau sagen, ob ich eher die lauten und fröhlichen oder die leisen, sanften, nachdenklichen oder traurigen Lieder mag. Die Mischung macht wohl den Reiz der Konzerte aus. Denn auch diese leisen, lyrischen Lieder, wie das "Kamper Hafenlied" waren ein so schöner Teil des Konzertes, wenn man leise mitsang "und wenn wir hier in der Feuerwache steh'n, unter all den Sternen" und dazu die Discokugel ihre kleinen Lichter an der dunklen Decke tanzen ließ, dann hatte das eine ferne Erinnerung an Konzerte im Sommer, unter dem Sternenhimmel in Kamp, kurz vor der Insel Usedom. 

Das letzte Lied der CD heißt diesmal wirklich "Das letzte Lied" (Wenzel, ich hoffe da kommen aber noch viele andere!) und ist eine Mischung aus Melancholie und wilder ausgelassener fröhlicher Tanzmusik. "Das letzte Lied hat keine Taschen / es säuft am Abend sieben Flaschen / vom allerallerbesten Wein ... Das letzte Lied ist stets besoffen / hat nichts zu sagen, nichts zu hoffen / es ist nur da als letztes Lied". Im Konzert war es nur das letzte Lied vor der Pause. Später standen dann die Lieder am Ende, die ich persönlich als letzte Lieder viel lieber habe: das "Herbstlied", diesmal nicht von Wenzel solo, sondern mit allen Musikern – und mit Stefan Dohanetz diesmal am Klavier sitzend. Und als das Publikum Wenzel immer noch nicht gehen lassen wollte, gab es noch sein "Gute-Nacht-Lied". Da kam er dann wirklich nur allein nochmal auf die Bühne und sang zu leiser Klavierbegleitung "Allen Paaren auf den Bänken / allen Säufern in den Schenken / allen denen die in Bann und Acht / wünsch ich eine Gute Nacht". Gute Nacht, Wenzel, und  bis zu einem der nächsten Konzerte, vielleicht wieder im Sommer in Kamp!


1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für deine Rezension. Beim Lesen habe ich alles noch mal erlebt. Hatte wirklich oft Gänsehaut, besonders bei "Theresienstadt. Danke

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