Diana Matut – Gesang, Flöten, Nyckelharpa
Nora Thiele – Perkussion, Glocken, Colascione
James Hewitt – Barockvioline
Erik Warkenthin – Laute, Theorbe, Barockgitarre
Dietrich Haböck – Viola da Gamba
Norbert Pohlmann vom Forum Gestaltung eröffnete als Initiator der Tage der jüdischen Kultur und Geschichte den Abend. "Ich bin froh, dass wir mit Simkhat Hanefesh eine wirklich außergewöhnliche Musikfarbe im Programm anbieten können", sagte er zur Ankündigung der Barock-Band. Zum Hintergrund der nun schon im 12. Jahr stattfindenden Kulturreihe sagte er "Eines hat sich nicht geändert: die Intention, gemeinsam diese Kultur zu erleben. Und dazu braucht es auch die Gemeinsamkeit des Erlebens". Und ganz wichtig war ihm angesichts der jüngsten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen: "Wir müssen aufpassen, dass sich die Demokratie nicht mit demokratischen Mitteln abschafft".
Das Programm des Abends führte dann aber tatsächlich in die Musik und in das Empfinden des Barock zurück, also eine ganz andere Zeit und Musik als das, was einem landläufig als erstes einfällt, wenn von jüdischer Musik die Rede ist – aber Klezmer war eben viel später. Eine festliche Bourrée eröffnete das Konzert, Musik, die die Musiker auf historischen Instrumenten spielen: Schlüsselfiedel (besser aus dem schwedischen als Nyckelharpa bekannt), Barockvioline, Theorben riesigen Ausmaßes, Gambe, Barockgitarre, Trommeln und Glockenspiel gaben auch akustisch einen nahe am Original liegenden Eindruck der Barockmusik. Dass Stücke jüdischer Komponisten gespielt wurden, war von der Musik her eher von untergeordneter Bedeutung, denn die festliche jüdische Musik jener Zeit (in dem Fall: Musik zur Beschneidungszeremonie) unterschied sich kaum von der italienischer oder deutscher Komponisten.
"Die meisten von Ihnen haben sicher schon jiddische Lieder gehört", sagte Diana Matut, "wir nehmen Sie heute aber mit in eine ganz andere Sprache und in die Sprachepoche zwischen 1500 und 1800, in das lange schon verloren gegangene Westjüdische mit dem Schwerpunkt in der Rheingegend: als die Juden Landesbürger wurden, da passten sie sich auch in ihrer Sprache an die Landessprachen an". Und das was für die Assimilation in der Sprache galt, wiederholte sich dann auch in der Musik. So gesehen passte das Programm und die Musik von Simkhat Hanefesh wunderbar ins Magdeburger Gesellschaftshaus. Schließlich ist dort die Magdeburger Telemann-Gesellschaft zu Hause. Und der Magdeburger Telemann (1681 bis 1767) lebte nicht nur genau in der Mitte dieser Epoche und in einer Hochzeit der barocken Musik, sondern war auch musikalischer Weltbürger.
Abraham Levi, dessen Aufzeichnungen dem Programm zugrunde liegen, war ebenso Weltbürger, bereiste zumindest Europa, von Süddeutschland bis hinunter an den Bosporus. Und er schrieb Musik auf, damals gesungene Lieder. "Viele davon sind nur vom Text her überliefert, zu den Melodien wurde oft nur 'gesungen nach diesem oder jenem Lied' notiert", erläuterte Diana Matut, "das muss man dann aufwendig recherchieren". Das Singen übernimmt sie gleich selbst, singt mit Sopranstimme ein Pessachlied oder über den Streit zwischen Wasser und Wein, Tanzmusik des Barock eben. Und die Musik ist improvisiert. "Auf den Notenblättern haben wir nur eine Melodielinie, den Rest improvisieren wir historisch verbürgt während des Spiels".
Lieder zu Festen sind ebenso zu hören wie solche, die von Pogromen berichten, wie von der Vertreibung der Juden aus Frankfurt unter Vincent Fettmilch im Jahr 1614 (die dann erst durch Kaiser Matthias zurückgenommen wurde). Im Hintergrund zur Musik waren Stiche zu sehen, die die Vertreibung der Juden, aber auch die Hinrichtung der Rädelsführer zeigten. Viele der Lieder waren aber auch so, wie man sie auch aus altem deutschen Liedgut kennt, Liebes- und Scherzlieder. Tanzmelodien, die auch heute noch so lebendig sind, dass sie in die Beine gehen, Hochzeitsmusik voll Fröhlichkeit.
Warum spielt ihr diese Musik, fragte ich in der Pause. "Das Lebendigwerden von dem, was in der Forschung recht trocken herauskommt", war den Musikern wichtig. Dabei ergeben sich auch immer wieder Parallelen zur deutschen Musik. "Deutsche und jüdische Musik ist ineinander verschränkt" erläuterte Diana Matut, "da kann man eben auch berühme Weihnachtsmelodien hören, die jeder kennt und die dann mit neuem Text zum Chanukka-Fest gesungen wurden."
Nach der Pause wurde es orientalisch, es ging nach Istanbul. Von da an ging es wieder auf Abraham Levies Reiseroute, die ihn über die Alpen führte. Als die Musiker eine italienische Sonate spielen, von Salomon Rossi, einem der bedeutendsten jüdischen Renaissance-Komponisten, da merkt man der Musik auch den Spaß an der Interpretation an. Eli Zion erklingt, mit Glockenspiel beginnend und am Beginn meint man "Es kommt ein Schiff geladen" zu hören. Elba erzählt eine Geschichte von Verrat und Rettung, als ein armenischer Priester den jüdischen Reisenden Levie verrät (Juden durften damals Elba nicht betreten), der Kapitän Levie aber nicht ausliefert, sondern den Verräter an Land setzt. Und Cados, Cados ist die Vertonung eines ehemaligen Spottliedes, dessen Sinn und Herkunft gar nicht so recht geklärt ist und das aus einer Reihe pseudo-hebräischer, -griechischer und -lateinischer Worte besteht und am Ende des Programms stand Zahlenmystik, mit der die Geschichte Gottes und der Schöpfung durchdekliniert wurde, mit der 1, die für die Einzigartigkeit Gottes steht, der 2 für die Tafeln Mose, der 3 für die Väter und der 4 für die Mütter und so weiter, bis zur 13 (im Analogie zur Bedeutung der 12 im Deutschen). Als Zugabe gab es ein Lied, zu dem die Musiker das Publikum aufforderten mitzusingen.
Die Musik des Abends gibt es auch auf einer CD, mit einem sehr ausführlich ausgestattetem Booklet.
Norbert Pohlmann begrüßt die Konzertbesucher. |
Eine riesige Theorbe mit einer Kombination von Melodie- und Basssaiten. |
Blick in den Gartensaal des Magdeburger Gesellschaftshauses |
Bei der Zugabe durfte das Publikum mitsingen, unter Leitung von Diana Matut. |
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