Christiane Hagedorn – Gesang, Violine
Martin Scholz – Piano, Kornett
Dieter Kuhlmann – Bass, Posaune, Saxophon
Im engen schwarzen Kleid steht Christiane Hagedorn auf der Bühne, singt mit ausdrucksstarker Stimme Lieder der 1920 und frühen 1930er Jahre. Lieder aus der Zeit der Weimarer Republik, als nach dem ersten Weltkrieg alles voller Bewegung war, voller Veränderung, voller Aufbruch. Es war die große Zeit der Varieteebühnen, auf denen frische und freche Musik gespielt wurde. Etwa wenn die Comedian Harmonists (und hier nun Christiane Hagedorn) ihre Lieder vom Kleinen Grünen Kaktus oder vom kleinen Herrn Meier am Himalaja sangen und Kurt Gerron das von Friedrich Holländer komponierte Nachtgespenst schweben ließ.
Christiane Hagedorn singt von den Freuden der damaligen so neuartigen und offenen Zeit ebenso wie von den Irrungen, Krankheiten und Verbrechen. Denn auch die bestimmten diese Zeit, und überhaupt lagen auch die Jahre der Revolution und Konterrevolution noch gar nicht lange zurück. Auch das findet in Hagedorns Programm Platz. Etwa wenn sie Passagen aus einem sehnsuchtsvollen Liebesbrief vorliest und gleich darauf sagt: Der Brief war gerichtet an eine Frau, deren Leiche man im Landwehrkanal fand – Rosa Luxemburg. Als sie dann Wenn ich mir was wünschen dürfte singt, nur leise von Martin Scholz am Kornett und Dieter Kuhlmann am Bass begleitet, dann klingt das abgrundtief traurig. Christiane Hagedorn zitiert aus Nosferatu: "es gibt keine Liebe, es gibt nur den Willen zur Macht" und deutet die Entwicklung der folgenden tiefbraunen Jahre an. Denn ab 1933 war die liberale Zeit zu Ende. Viele Musiker und Künstler hatten jüdische Wurzeln und mussten emigrieren, wenn sie überhaupt das Glück dazu hatten.
Zuvor aber lagen Jahre der Freiheit, auch der geschlechtlichen und sogar der gleichgeschlechtlichen. "Auch der nackte Körper stand damals für Freiheit", sagt Christiane Hagedorn und singt Lieder wie Ick laß mir nich die Neese verpatzen wegen Emil seine unanständ’ge Lust von Claire Waldoff oder Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben von Fritzi Massary mit frecher Berliner Schnauze.
Auch Brecht und Weill gehören unbedingt in die zwanziger Jahre und damit in das Programm. Etwa der Kanonen-Song aus der Dreigroschenoper, den die Hagedorn anders als gewohnt interpretiert, und bei der Frage, wer denn sterben muss das "Alle" sehr leise, aber mit einem dämonischen Lächeln sagt. Auch Ja mach nur einen Plan und Der Haifisch der hat Zähne müssen unbedingt zu hören sein.
Wie kam das Programm zustande, frage ich nach dem Konzert. "Das lag ja geradezu in der Luft, zum hundertsten Jahrestag der Weimarer Republik auch die Musik wieder hervorzuholen und neu zu interpretieren", sagte Christiane Hagedorn. Und wie habt ihr das für Euer Trio arrangiert? "Ich habe mal geschaut, was da passen könnte, habe das meinen beiden Musikern geschickt und dann haben wir die Ideen zusammengebastelt. Und dann haben wir uns einfach mal wie eine Garagenband hingesetzt und probiert, was wie am besten passt". Herausgekommen ist ein Programm, das den Zuhörer ein Gefühl der damaligen Zeit vermittelt. Nicht nur, aber vor allem in der Musik.
Norbert Pohlmann vom Forum Gestaltung sagte dazu, warum er das Trio für die Tage der Jüdischen Kultur engagierte: "Christiane Hagedorn habe ich das erste mal bei Jazz in der Kammer gesehen, schon vor Jahren, als das noch im Schauspielhaus lief. Als ich von ihrem neuen Programm hörte, wusste ich gleich, das passt gut". Apropos Jazz in der Kammer: da schließen sich wieder die Kreise zu aktuellen Konzerten: denn diese Reihe ist inzwischen im Forum Gestaltung zu Hause. Das nächste Mal gibt es Jazz in der Kammer übrigens am Montag, dem 18. November.
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