Bei der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie Schönebeck gab es heute ein Konzert mit dem Klarinettisten Jerzy Bojanowski als Solist. Geleitet wurde das Konzert von Torsten Janicke, Konzertmeister des Kölner Gürzenich-Orchester. Auch eine Uraufführung eines Auftragswerkes für die Kammerphilharmonie stand auf dem Programm, "zu welcher Stunde" von Charlotte Seither.
Jerzy Bojanowski |
Die Kammerphilharmonie nimmt in den Konzerten der aktuellen Spielzeit das Leben des Schönebecker Arztes und Begründer des Kurwesens in Bad Salzelmen, Wilhelm Tolberg, als Idee für die Programmgestaltung. "Aus Tolbergs Zeit" ist dann auch die Überschrift der Konzertreihe. Jedes Konzert wurde durch eine Lebensstation Tolbergs bestimmt. Diesmal ist es sein Tod im Jahr 1831. Mit diesem Wissen konnte bereits der Einzug des Orchesters als Abschiedssymbol wahrgenommen werden – denn auf dem Podium gab es eine Leerstelle: der Dirigent fehlte. Aber kein Grund zur Sorge: Jan Michael Horstmann saß quicklebendig im Publikum. "Jetzt habe ich die seltene Gelegenheit, mein Orchester vom Saal aus zu erleben", sagte er augenzwinkernd. Seine Stelle nahm Torsten Janicke ein, der als Gast die Rolle des Kapellmeisters, des ersten Geigers übernahm und das Orchster von dieser Position aus leitete. Das Konzert bekam so den Charakter von Kammermusik.
Am Beginn stand Haydens Abschiedssinfonie. Ein sehr streicherbetontes Stück, die wenigen Bläser (nur zwei Hörner, Oboe und Flöte) bleiben im Hintergrund und sind dennoch wichtig. Die Vogelstimmen (die Amseln des Kurparks hörte man beim Adagio durch die geöffneten Oberlichter) und der fröhliche 4. Satz gaben Hoffnung.
Franz Krommer, ein Zeitgenosse Mozarts, um den man in Tolbergs Zeit nicht herumkam, ist heute weitgehend vergessen. Um so schöner ist die Aufführung des Klarinettenkonzerts mit Jerzy Bojanowski als Solist. Zu hören ist ein Konzert in heiterer ländlicher Stimmung, dem Bojanowski mit dem klaren Ton seiner Klarinette Gefühl verleiht, mit seiner Melodiestimme den Charakter des anspruchsvollen Stückes prägt. Als Zugabe spielten Solist und Orchester die Aria von Eugène Bozza. Auch dies ein Abschiedsstück, leise, beinahe düster.
In dieser Saison nahm Jan Michael Horstmann in jedes der Konzerte eine Uraufführung ins Programm. Allesamt Auftragsarbeiten für die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie. "Werke von Komponisten, die ich selbst bereits aus früherer Zusammenarbeit kannte. Es war vorab etwas ungewiss, wie sich das Publikum auf diese neue Musik einlässt", sagte Horstmann. Bereits kurz vor Ende der Saison kann man feststellen, dass das Schönebecker Publikum ein sehr aufmerksames und an neuem interessiertes ist. So auch bei "zu welcher Stunde" der Komponistin Charlotte Seither. "Das Stück schrieb ich zwischen Januar und März dieses Jahres", sagte die Komponistin, "ursprünglich hatte es nichts mit dem Krieg zu tun, aber es bekommt in diesem Zusammenhang eine neue Bedeutung. Es ging mir um dieses Gefühl, plötzlich mitten aus dem Leben gerissen werden zu können. Beim Thema 'Abschied' spielt immer auch Angst mit." So spielte die Musik eben auch mit diesen Assoziationen. Die am Anfang zusammen mit dem Glissando der Streicher zu hörenden Glocken erzeugen eine mystisch-bedrohliche Stimmung. Eingestreute Töne von Cello, Oboe und Flöte irrlichtern darüber wie Geister über einem Moor. Musik wie aus einem düsteren Film, die gespannte Erwartung weckt. Mit angehaltenem Atem sitzt man da und starrt fasziniert und beunruhigt auf das was kommt und ist dann froh, wenn das Orchster wieder kräftiger wird und die Spannung auflöst. Am Ende wieder leise Glocken, vielleicht sind es Kirchenglocken, vielleicht das Totenglöcklein. Ein faszinierendes und ergreifendes Stück, das von den Musikern hohe Konzentration verlangte. Es klingt aus ohne Finale – am Ende ist Schweigen. Auch das Publikum verharrt noch eine Weile in Stille.
Charlotte Seither fand die Zusammenarbeit mit dem kleinen Schönebecker Orchester reizvoll. "Man ist dicht an den Musikern dran und ich spüre hier auch eine hohe Sensibilität für den Klang", sagte sie über die Kammerphilharmonie.
Das abschließende Stück von Ignaz Josef Pleyel setzt dann einen Gegenpunkt, vom Orchester kräftig und mit hoher Dynamik gespielt. Bläser und Kesselpauken geben kräftig Melodien vor, die dann leise von den Streichern wiederholt werden. Diese Abwechslung macht die Musik interessant.
Torsten Janicke, Konzertmeister des Kölner Gürzenich-Orchester, leitete als Gast das Orchester. Er lobte die Schönebecker Musiker. "Ich erlebe selten ein so akkurat spielendes Orchester" sagte er über die Zusammenarbeit. Den Musikern bescheinigte er nach dem Konzert, "ich habe mich bei Euch sofort wohl gefühlt".
Torsten Janicke und Charlotte Seither |
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