Freitag, 9. Mai 2025

Filmmusik im DLR-Testzentrum Cochstedt (Es entwickelt sich, das Drohnenwesen)

Das dritte Konzert der diesjährigen Ausgabe von "Klänge im Raum" führte die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie und ihre Gäste in den Flughafen Cochstedt. Heute ist dieser das Nationale Erprobungszentrum für unbemannte Luftfahrtsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR. Eine Testeinrichtung für UAS, für "unmanned aircraft systems", vulgo für Drohnen. Der Standort ist so geheim, dass weder Kameras noch Handy mit rein durften.

Blick auf den Tower mit dem Signet des DLR und die dahinter
liegenden Technikgebäude des Flughafens Magdeburg-Cochstedt

Die Karten gab es aus Sicherheitsgründen nur im Vorverkauf, personengebunden unter Angabe der persönlichen Daten. Nach Ausweiskontrolle und Abgleich mit der Passagierliste durften die Gäste in den "Abflugbereich". Allerdings nur im übertragenen Sinn, denn das frühere Passagierterminal des Flughafens Magdeburg Cochstedt International gibt es nicht mehr. Stattdessen ging es hinüber in die Technikhalle, in der sonst die Flughafen-Fahrzeuge geparkt sind. Diese standen vor der Halle im Halbkreis geparkt, vom Follow-Me-Fahrzeug über die Kehrmaschine mit der Aufschrift "Kehrforce One" bis zur Flughafenfeuerwehr. 

Als das Konzert beginnen sollte, fehlte ein kleines, aber höchst wichtiges Utensil: "Wo ist mein Taktstock?", rief Dirigent Jan Michael Horstmann. Hm, der muss irgendwo auf dem Flugfeld verloren gegangen sein. Aber Hilfe kam – aus der Luft. Auf einer großen Leinwand neben dem Orchester wurde ein Video eingeblendet, darauf die Life-View-Ansicht einer Drohnenkamera, bei der der auf der Drohne liegende Taktstock ins Bild ragte. Die Drohne flog auf die Konzerthalle zu und setzte (allerdings nur virtuell) vor der Tür auf. Marlen Luther, PR-Verantwortliche des Drohnentestzentrums, konnte den Taktstock an Jan Horstmann übergeben, das Konzert konnte beginnen. 

Ein Konzert voller Filmmusik, zu Beginn mit der aus der großen Weltraum-Serie Star Trek. Völlig passend zum (Raum-)Flughafen, wo das Raumschiff musikalisch abhob. Andere Musikstücke waren die Musik zu Winnetou, aus dem Pirat der Karibik und ein James-Bond-Medley. Auch Musik aus Puccinis zumindest im Osten weitgehend unbekannter Operette "Das Mädchen aus dem Goldenen Westen" war dabei. In der DDR war der Titel wohl etwas verdächtig, missverstanden zu werden. Dafür umso bekannter: die Musik aus "Die Olsenbande sieht rot". Als reines Musikstück würden es zwar nur Kenner zuordnen können, aber als Jan Horstmann die Opernszene ansprach, bei der Egon Olsen, die Partitur von Friedrich Kuhlaus "Elverhøj" (Elfenhügel) vor sich liegend, die Bohr- und Sprengarbeiten unterhalb der dänischen Staatsoper dirigierte, wussten alle Bescheid.

Das Schönebecker Orchester spielte gewohnt kraftvoll. Hier lag allerdings auch ein Problem des sehr speziellen Veranstaltungsortes: eine Fahrzeuggarage mit nackten  Betonwänden ist eben alles andere als eine Konzerthalle. Die Musik klang dadurch sehr hart, knallte geradezu in die Ohren der Konzertbesucher hinein. Die nächsten Aufführungen des Filmmusik-Konzertes in der Laurentiuskirche Seehausen (10. Mai), im Katharinensaal Wolmirstedt (29. Mai) und open air auf dem RAW-Gelände Magdeburg (14. Juni) sollte man sich für Konzerterlebnisse mit besserer Akustik vormerken. Hier in Cochstedt überwog eindeutig der Spaß daran, mal etwas völlig neues zu probieren. Denn Musik in alle Ecken des Landkreises zu bringen – in wörtlicher Bedeutung Klängen in den Raum zu tragen – und ungewohnte Orte als Konzertorte zu entdecken, das ist eines der selbstgesteckten Ziele der frühsommerlichen Konzertreihe. Und dieses wurde mal wieder erfüllt. Auch mit dem ungewohnten Ausblick durch die Garagentüren mit bodentiefen Glasfenstern auf das Flugfeld, auf dem die Schwalben ihre Runden drehten.

Das Publikum erklatschte sich eine Zugabe. Diese kam nicht aus dem Filmbereich, sondern aus dem britischen Repertoire der Kammerphilharmonie. Sogar "very british", denn Edward Elgars "Pomp and Circumstances" ist regelmäßigen Zuschauern der "Last Night of the Proms" so ins Blut übergegangen, dass sie díe Melodie der heimlichen Nationalhymne "Land of ope and glory" leise mitsangen oder -summten.

Nach den Konzerteindrücken nochmal ein Sprung zurück an den Anfang des Abends:

Vor Beginn des Konzertes begrüßte Thomas Wünsch die Gäste. In doppelter Funktion – als Vorsitzender des Fördervereins der Freunde der Kammerphilharmonie und als Wissenschaftsstaatssekretär, der in dieser Funktion auch berufliche Beziehung zum DLR als Wissenschaftseinrichtung hat. "Es erweist sich als voller Erfolg", sagte er, "dass wir als Land die Umwandlung dieses lange leer stehenden Flughafens in eine wissenschaftliche Einrichtung aktiv unterstützt haben". Inzwischen, so war zu erfahren, haben sich auch schon Unternehmen im Bereich des Flughafens angesiedelt, darunter auch eines aus Bayern, das wegen der guten Bedingungen seinen Firmensitz nach Cochstedt verlegt hat.

Daniel Sülberg, Leiter des DLR-Testzentrums, die wissenschaftliche Bedeutung des Erprobungszentrums vor. Der Flughafen mit dem Kürzel CSO, der seine Verkehrsflug-Zulassung bis heute behalten hat, ist eine Besonderheit. Als einziger vollwertiger Verkehrsflughafen dürfen auf ihm Drohnen fliegen und landen. Normalerweise besteht auf Flughäfen Flugverbot für diese Flugobjekte –  aber CSO wird eben auch nicht von regulären Fluglinien angeflogen, mit denen die Drohnen in Konflikt kommen könnten. Und so kann alles erprobt werden, was sicherheitstechnisch und anwendungstechnisch bei unbemannten Luftfahrzeugen relevant ist.

Für die, die etwas sichtbaren Einblick über neueste Forschungsgegenstände der Drohnenforschung erhofft haben, also Einblick in all das zu bekommen, was aktuell so sehr diskutiert wird, Paketdrohnen, Drohnentaxis usw., gab es allerdings eine Enttäuschung: nichts davon war zu sehen. Alles ist so geheim, dass es noch nicht mal angeschaut werden darf. Ich selbst kenne aus meiner beruflichen Zeit bei Fraunhofer zwar, dass man nicht alles öffentlich zeigen kann – aber solch eine Geheimhaltung habe ich dort noch nie erlebt.

Was unabhängig vom wissenschaftlichen Inhalt hängen blieb: "Es entwickelt sich eben, das Drohnenwesen". Fast hätte ich mich verleiten lassen zu fragen, ob auch schon mal eine Kuh in den Propeller einer Drohne geraten sei. Vermutlich hätte ein großer Teil des Publikums diesen Hinweis auf Mannfred Krugs legendäre Lesung in "Jazz Lyrik Prosa" verstanden.

Am Ende des langen Konzertabends gingen die Konzertbesucher reich an musikalischen Eindrücken und an Luftfahrt-Impressionen zurück zu ihren Fahrzeugen – in einer lauen Frühlinngsnacht und im Schein des Vollmonds.

Die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie (Leitung: Jan Michael
Horstmann) im DLR-Erprobungszentrum Cochstedt
Fotos 2 und 3: René Kiel
Im Licht der Blauen Stunde und im Schein
des Vollmonds ging es nach Hause

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