Sonntag, 27. Februar 2011

Straßenverkehr

Auf den ersten Blick ist der Straßenverkehr katastrophal. Da wird auf einer vierspurigen Straße je nach Bedarf gern auch mal in sechs bis sieben Spuren gefahren, aus einer zweispurigen Straße wird ebenso eine dreispurige, natürlich mit Fußgängern auf der Straße, denn Gehwege gibt es in der Regel nicht. Da wird trotz Gegenverkehr überholt, und wenn man sieht, daß selbst vollbesetzte Busse einander überholen, obwohl von vorn, hinter der zu Beginn des Überholvorgangs noch nicht einsehbaren Kurve ein Lkw kommt, so muß man sich wundern, daß es nicht ständig kracht.
normales Überholmanöver (um es angesichts des
Linksverkehrs zu verdeutlichen: der rechte Bus
überholt den linken, der Gegenverkehr fährt rechts)

noch ein normales Überholmanöver eines Busses,
aus dem Auto heraus gefilmt (man achte auf
den LKW im Gegenverkehr)
Die Ursache ist wohl, daß sich hier im Straßenverkehr alle sehr menschlich verhalten. Etwa so, als würde man als Fußgänger auf einem engen Fußweg unterwegs sein – und wenn man schneller gehen möchte als der Rest, sagt man "darf ich mal vorbei", dann schiebt man sich durch die vor einem gehenden oder an ihnen und den entgegenkommenden vorbei und das wars, vielleicht sagt man noch ein "Danke" hinterher. Funktioniert problemlos. Nur daß eben auf der Straße das "darf ich mal vorbei" durch Hupen ersetzt wird, ebenso das "Danke für's vorbeilassen". Und so funktioniert's bei den Autos wie zuvor bei den Fußgängern, der überholte läßt sich ein wenig zurückfallen, der entgegenkommende macht ein wenig Platz, und so schiebt man sich aneinander vorbei, ohne sich anzurempeln. Klappt selbst in Kurven hervorragend. Erstaunlicherweise, möchte ich als Europäer hinzufügen. Auch wenn ich fast nie mitgebremst habe, so habe ich doch einige male die Luft angehalten, wenn Tilak, mein übrigens sehr vorsichtiger Fahrer, vor einer Linkskurve zum überholen ansetzte (nicht ohne ordnungsgemäß vorher zu hupen). Denn schließlich saß ich unangeschnallt im Van, was mir zu Hause nie in den Sinn kommen würde. Meinen automatischen Griff zum Gurt quittierte Tilak mit einem Lächeln und der Bemerkung, das brauche man hier nicht, aber er kenne das von anderen Europäern auch.   Nein, Angst hatte ich beim Fahren eigentlich nie wirklich, was vielleicht auch am in der Luft liegenden Räucherstäbchengeruch und dem Geist Buddhas zu tun hat.
Bezogen auf die Zahl der Einwohner ist die Zahl der schweren Verkehrsunfälle mit Verletzten und Toten hier übrigens nur etwa ein Drittel der deutschen Unfallzahlen. Aber es gibt sie auch. Und als ich Tilak sagte, daß der Verkehr für einen Europäer sehr gefährlich aussehe und ihn danach fragte, ob es hier nicht auch Unfälle gebe, lachte er und sagte, doch, gerade auf der Straße, die wir jetzt fahren, gab es einen Unfall mit fünf Fahrzeugen und acht Toten. Aber das war letztes Jahr oder sogar noch etwas länger her.

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