Pfarrer Michael Seils hob bei der Eröffnung auch das langjährige Wirken seines Amtsvorgängers Rüdiger Meussling hervor, der gemeinsam mit seiner Frau Maria die Konzertreihe 40 Jahre lang organisiert hatte. Daß er in seiner kurzen Ansprache auch von "Zukunftsmusik" sprach, lies auf einen weiteren langen Fortbestand der sommerlichen Musikreihe schließen, auf die das Wort "traditionell" inzwischen wirklich zutrifft.
Lukas Storch an der Hüfken-Orgel in St. Thomas Pretzien |
Mit Lukas Storch saß im ersten Konzert des diesjährigen Pretziener Musiksommers ein gerade dreißig Jahre junger Musiker auf der Orgelbank. Pfarrer Michael Seils hatte seine Frau Franziska, die in Halle an der Hochschule für Kirchenmusik lehrt, gefragt, ob sie nicht mal „Kontakt zu einigen der besten Absolventen herstellen könne“. Diese direkte Art der Künstlervermittlung führte zu einem ausgezeichneten Konzerterlebnis in der Pretziener St.-Thomas-Kirche.
Lukas Storch, der nach dem Studium der Kirchenmusik noch ein Improvisationsstudium in Leipzig absolvierte und jetzt Kirchenmusiker im Leipziger Süden ist, hatte sein Programm im mitteldeutschen Raum angesiedelt. Den Beginn machte der Meister der Kirchen und Orgelmusik, Johann Sebastian Bach. Dessen Fantasia "Komm heiliger Geist" aus den Leipziger Chorälen wählte Lukas Storch passend zur Pfingstzeit aus. Bachs klare Melodien unterlegte er mit einem wogenden auf und ab von Tönen.
Neben Johann Sebastian Bach gab es Werke von Friedrich Wilhelm Zachow und Samuel Scheidt. Zwei Hallenser Komponisten der Barockzeit, an denen in Halle kein Musikstudent vorbeikommt, wie Lukas Storch sagte. Die zwölf Variationen von Zachow über die Choralmelodie "Jesu meine Freude" schienen zugleich eine musikalische Führung durch die Möglichkeiten der Pretziener Orgel zu sein, die Storch mal perlend hell, mal tief im dunklen Bass klingen ließ.
Noch interessanter waren Storchs Orgel-Improvisationen. „Ich möchte der Musik der alten Meister gegenüberstellen, wie man heute damit umgehen kann“, sagte er dazu. Und das klang dann auf eine reizvolle Art modern. Sich wiederholende Muster von kurzen, leisen Tonfolgen erinnerten anfangs an Minimal Music, später kamen Trompetentöne hervor, aus denen sich die gewaltige Choralmelodie „Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist“ (und damit auch zum Pfingstfest passend) entwickelte. Storchs Version würde auch zur Filmmusik taugen. In einer anderen Improvisation mischte Lukas Storch Kirchenmusik mit Tangoklängen, unterlegte sie mit den langsamen Sub-Bass-Vibrationen des Modulators und fügte Trompetenklänge hinzu, bis sich die Orgel am Ende wie ein Orchestrion, eine Jahrmarkts- oder eine Kinoorgel anhörte. Das war Musik, die Freude ausstrahlte.
Nach einem romantischen Ende des Programms (Mendelssohn Bartholdy, mit wuchtigen Tönen unter Nutzung fast aller Register) gab es als Zugabe italienische Orgelmusik, die nach einer Mischung aus Operette und Berliner Gassenhauer klang.
Ich fragte Lukas Storch nach seinem Eindruck von der Pretziener Orgel, ihrem Klang, ihrer Handhabung. "Die Aufteilung der Register hatte ich natürlich bereits vorab bekommen. Aber jede Orgel ist anders, ich bin bei Konzerten immer rechtzeitig vorher da, um das Instrument kennenzulernen", sagte Storch. "Die Pretziener Orgel erwies sich als relativ leicht zu spielen", fügte er hinzu. Ansonsten freute er sich natürlich über die Aufstellung der Orgel, bei der der Organist auf Augenhöhe mit dem Publikum sitzt: „Hier gibt es eine ganz andere Kommunikation mit dem Publikum. Orgel spielen ist auch mehr als nur Tasten drücken und hier können die Konzertbesucher selbst miterleben, wie der Organist arbeitet“.
Volksstimme vom 29. Mai 2018 |
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