Hans-Eckardt Wenzel – p, g, acc, voc
Theo – voc
Thommy Krawallo – b, g
Hannes Scheffler – b, g
Stefan Dohanetz – dr, perc
Manual Agosthinho Peireira – trp
Lexa Schäfer – b (im letzten Set)
Am Anfang des Konzertes steht Wenzel allein auf der Bühne, mit Gitarre, mit Akkordeon. "Sing den Trotz dir aus der Kehle / geb' dich nicht geschlagen / kotze Dir nicht deine Seele aus dem Magen" singt Wenzel zu Beginn. Ein neues Lied, in dem er sich gegen die allgegenwärtige Meinungsmache der "Wutbürger" stellt. Neben den kräftigen Liedern stehen immer wieder sanfte, wie "mach die Türe sachte zu / jedes Ich braucht auch ein Du". ("Scheiße, Mach die Türe zu, das ist ja merkwürdiger Satz gleich am Beginn eines Konzertes" sagt er dazu). Man hört dieses Lied und fühlt sich gleich heimisch in Kamp. "Was ist Wahrheit?" fragt Wenzel: "die Übereinstimmung zwischen Vorstellung und Wirklichkeit" und singt sein Lied von der schönen Festung Lilienstein. Auf "für mich sind tausend Tode ausgedacht" folgt "Diese Nacht ist uns gegeben / lasst uns etwas lauter leben".
Gleich darauf begrüßt Wenzel Tobias Morgenstern auf der Bühne. "schon 40 Jahre spielen wir zusammen", sagt er. Morgenstern begann erst solo, mit wunderschöner Musette-Klängen auf seinem Akkordeon, zog mit weitausholenden Bewegungen den Balg des Instrumentes in die Länge, seine Finger fliegen über die Tasten. Danach kommt Wenzel wieder hinzu. Auch im Duo wechseln poetische Lieder mit kräftigen, wie Sankta Statistica. Oh könnte man doch sagen / es kommt auf mich nicht an ist dann wieder eines der Lieder, die nur zu gut auf unser Zeit passen. Doch, Wenzel, Du hast recht, es kommt auf Dich an, es kommt auf jeden von uns an. Und wie viel bequemer könnte es sein, sich zurückzulehnen. Auch von Wenzel vertonte Texte von Theodor Kramer standen auf dem Programm, wie Hätt ich ein Gewind zu schmieren oder ich möchte eine kleine Wirtschaft führen, das schon von seiner allerersten Schallplatte stammt. Ja, in solcher einer kleinen Wirtschaft möchte ich selbst auch gern sitzen.
Gemeinsam mit seiner Band, die ihn wie immer wunderbar begleitet, beginnt Wenzel im nächsten Set dann mit Liedern der aktuellen CD. Lieder wie Nur der Mond mit seinem Licht, mit den kräftigen Trommelschlägen von Stefan Dohanetz. Als Wenzel und Band dann ihr "Ahoi, ahoi, ... sie kriegen uns doch alle" anstimmen, dann kriegen sie sie aber auch in Kamp alle: alle Zuhörer, die dicht gedrängt stehen und spätestens da laut mitsingen. Und auch Theo ist hier auf der Bühne, um mit seiner hellen Stimme den Refrain laut mitzusingen (wie auch bei einigen anderen Liedern, deren Refrain zum lauten mitsingen geradezu herausfordert).
"Gibt's Fragen?", fragt Wenzel ins Publikum und sagt "wir müssen lernen zu fragen, sonst kommen wir aus der Scheiße nicht mehr raus. Antworten können ihre Richtigkeit verlieren, aber die universelle Frage bleibt". Fragen wie "warum ist die Erde keine Scheibe / warum folgt auf Dunkelheit das Licht" aus einem der Lieder von Wenzel, oder "was ist das Deutscheste, das wir haben?", eine Frage die er selbst beantwortet: "der November, man schaut hinein und blickt nicht durch", worauf er sein Novemberlied spielt. Auch wenn Wenzel neue Lieder ins Programm nimmt, so wie das vom Überwachungssatellit, der von oben auf uns sieht, und nicht versteht, was er sieht, dann klingen diese von Melodie und Versmaß her so vertraut, als wären sie altbekannt. Als Wenzel singt "Wo liegt das Ende dieser Welt?" (auch ein Lied seiner neuen CD), da ruft einer aus dem Publikum "hier!". Das Lied allerdings ist keines der fröhlichen, ist eher bedrohlich-melancholisch.
Bei Überall die gleiche Scheiße ist dann Theo wieder mit auf der Bühne, um lauthals mitzusingen. In Wenn nur diese Fratzen nicht wär'n kommt dann erneut Wenzels Befremden über die aktuellen Verhältnisse zum Ausdruck. Und Stacheldraht, Elektrozaun muss er als mögliches Symbol für Europa erkennen, auch da klingt Theos helle Stimme durch, mit der ganzen Empörung, die ein Kind in einen solchen Text legen kann. Auch Theresienstadt, gleichfalls von der neuen CD, ist zu hören, diesmal blieb es am Ende des Liedes vor dem Applaus ein paar Augenblicke still im Publikum.
Dazwischen immer wieder Wenzels zarte Lieder. Solche wie Die die du liebtest, die wusste noch nichts davon, Heimweh nach dem Mond, Mohn und Kamille oder Wenzels betrunkenes Lied.
Nicht fehlen durfte auch Man müsste schöner lügen können, eines der Lieder zum laut mitsingen. "Ist jemand vom Jugendamt anwesend" fragte Wenzel spätabends in die Runde. "Nein? Dann kann ja Theo auf die Bühne kommen". Ein Lied von Wenzels Woody-Guthrie-CD, "Ich bleibe am liebsten bei Daddy, der wäscht mir nie mein Gesicht" singt Theo mit aller kindlicher Kraft in der kleinen Stimme, von Wenzel unterstützt. Großartig! Ich glaub, für alle im Publikum war Theo an dieser Stelle der Held. Wenzel merkte hinterher an: "Dann besteht ja die Chance, wenn ich mal total verblödet bin, dass mein Sohn die Sache übernimmt". Das aber muss noch warten: "manchmal denke ich ja darüber nach den Beruf zu wechseln", sagte er später im Konzert, "aber wenn ich sehe, wie die Dummheit auf der Welt immer größer wird, dann muss ich wohl noch weitermachen". (Ja, musst Du, möchte man ihm da zurufen).
Grünes Licht (auch von Wenzels erster Platte) erklingt in einer deutlich rhythmischeren Verein (die originale gefällt mir aber besser), Die Erde ist da für Dich und mich, ein Lied wie für die heutige Zeit geschrieben und doch schon vom Folk-Urgestein Woody Guthrie stammend. Und am Ende des zweiten Band-Sets, kurz nach zwölf Wenzels Herbstlied. Dieses Lied steht sonst so oft am Ende der Wenzel-Konzerte, wird von vielen wegen seiner leisen Melancholie im Text auch immer wieder als das letzte Lied erwartet. Hier in Kamp ist der Abend aber noch so lang... Ein Abschiedslied ist es dann vielleicht für die unter den Besuchern, die nicht in Kamp übernachten, noch eine weite Fahrt vor sich haben und bereits jetzt das Konzert verlassen.
Kurz nach eins geht das Konzert für weitere anderthalb Stunden weiter und jetzt überwiegen immer mehr die fröhlichen Lieder. Lieder über die Wenzel mal sagte, "wenn jemand tanzt, ist es Tanzmusik, und wenn keiner tanzt, ist es einfach nur so Musik" (ein Bonmot, dass uns immer wieder mal einfällt, wenn es um Tanzmusik geht). Lieder wie Der König von Honolulu, Die Kaputten, das Lied vom Fiskus (hier wieder mit Theo, ebenso wie beim Arschgeweih oder Gebt mir Geld!), das Matrosenlied, Dshingeling oder das Taiga-Lied. Dazwischen immer wieder mal ruhige Songs, wie Havanna wartet, die nächtliche Überfahrt (nochmal mit der Erinnerung an den in Kamp fehlenden Fährmann), Hier bin ich nicht mehr zu Hause oder Füllt die Gläser, sucht nicht nach Gründen. Am Ende werden es dann 97 Lieder gewesen sein, die auf seiner Setliste stehen, wie er später sagte.
Als das Konzert gegen halb drei zu Ende geht, da ist das Morgenlicht schon deutlich am nordöstlichen Horizont zu sehen. Zuletzt – und es dürfte gar nicht anders sein! – singt Wenzel das Kamper Trinklied. Als er darin singt Und wenn wir uns verloren gehn / und wenn wir uns wieder entfernen / bleibt vielleicht dies Bild bestehn / wie wir hier am Hafen stehn / unter all den Sternen / hier im kühlen Abendwind / froh, dass wir am Leben sind, da fliegen die Sterne eines Feuerwerks in die Luft des Kamper Hafens. Ein wunderschöner Abschluss dieser Sommernacht!
Tobias Morgenstern |
So kann man auch Akkordeon spielen... |
Wenzel und Band |
Wenzel, Hannes Scheffler und Thommy Krawallo (zusammen mit den drei folgende Fotos ergibt sich ein kleines Daumenkino :-) |
Selbst um Mitternacht leuchtete es in dieser Mitsommernacht noch hell am nördlichen Horizont. |
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