Musik. Live. Mit echten Menschen... "Dass es so was noch gibt" - so oder ähnlich hörte man es von vielen Besuchern der Magdeburger Songtage. Denn nach den langen Monaten der Corona-Einschränkungen warten nicht nur Künstler und Veranstalter, sondern auch das Publikum auf die Konzerte, ohne die das Leben viel weniger Freude macht. So war es auch bei den Magdeburger Songtagen, die seit Freitag stattfanden (aus Zeitgründen konnten wir sie nur am letzten Tag besuchen).
Die Wiese vor dem Salbker Wasserturm glich einem kleinen Festivalgelände, es gab zu Essen und zu trinken, der Turm mit seiner wunderbaren Aussicht konnte bestiegen werden und dank vorherigen Tests konnte man sich auch ganz frei und unbeschwert fühlen. Und auch Jan Kubon war bei der Eröffnung des letzten Tages der Songtage die Freude darüber anzumerken, als er die vorangegangenen Tage Revue passieren ließ.
Der Sonntag im Magdeburger Turmpark gehörte den eher ruhigen (und am Ende doch sehr kräftigen) Tönen, den Liedermachern und Songpoeten. Am Beginn: Martin Müller mit seinem Knopfakkordeon. Und mit Hut - wie auch gleich das erste Stück hieß: "Der Mann mit Hut". Gefolgt von "ein Schritt vor und zwei zurück". Martin Müller sagte dazu: "das Stück stammt noch aus der Zeit vor Corona, sonst hätte ich es wohl '... und fünf zurück' genannt". Die "fünf" wäre wohl auch ganz passend gewesen, denn das Stück klang wie eine Musette-Version von "take five".
Müller ist ein Meister auf dem Knopfakkordeon (genauer: auf zwei Akkordeons - später nahm er noch ein größeres zur Hand), dass er oft französisch geprägt im sommerlich leicht tönenden Musette-Stil spielt, dann wieder mit kräftigen Orgelklängen. Ganz neu: einige Fantasien (Nr. 1 bis 12) in denen er bekannte Melodien auf seine eigene Art musikalisch verarbeitet. Da kann man schon mal eine Kombination von Morgen Kinder wird's was geben mit dem irischen Reisesegen heraushören, in einer anderen stecken die Auftaktakkorde von Beethovens Fünfter drin oder ein altes Volkslied, langsam und schwermütig, dessen Titel mir aber partout nicht einfällt. Musik also zum Schweifenlassen der eigenen musikalischen Erinnerungen. Aber auch für Jazz war das Akkordeon gut: im "Buckau Boogie", benannt nach dem neben dem Salbker Wasserturm liegenden Magdeburger Stadtteil.
Im zweiten Set standen Tabea und Tobias Wollner auf der Bühne, mit einem Querschnitt aus ihren sonst thematisch ausgerichteten Programmen. Ihre deutsche Version von "Its a long way home" ist ebenso dabei wie die Ballade von Fritze Bollmann (welcher tatsächlich aus Salbke stammt und erst später Barbier in Brandenburg wurde). Kombiniert mit dem Sternenlied aus dem Traumzauberbaum wurde aus dem Bänkellied eine romantische Ballade. "Auf der Wies haben wir gelegen" (Veronika Fischer) gab es, den Hymnus "Non nobis domine" aus dem 13. Jahrhundert und ihren Vorschlag für eine Magdeburger Fußballhymne: "Vorwärts Magdeburger Jungs". Also das ist wirklich eine bunte Mischung! Kräftig, dicht am Original und doch in der charakteristischen Wollner-Art klang Nirvanas "smells like teen spirit" (auf deutsch: "Gib nicht auf!"). Wunderbar! Am Ende des Programms dann "Piano Man", und Tobias Wollner sang es wie eine Hommage an all die so lange vermisste Kultur: "Es ist so schön wieder hier zu sein, und keiner fragt Dich warum..." Als Zugabe und gemeinsam mit Warnfried Altmann (sax): Summertime. Ein Lied wie geschaffen für diesen lauen Sommerabend.
Am Ende des Abends dann die Martin-Rühmann-Band. Im ersten Set nur zu dritt, mit Martin Rühmann und Sylvia Oswald (Gesang), dazu Lars Düseler (Bass) und mit einigen leisen, ruhigen Liedern. Rühmann singt davon, was ihn immer schon umtreibt, "Das Lied das kommt aus meinem Mund / es ist aus mir gemacht / es treibt mich meilenweit ...", singt davon "dass wir noch immer sind am Ball". Das sind Lieder die zugleich leicht melancholisch wie auch lebensfroh sind. Lieder voller Poesie. Und er erklärt zu den zurückliegenden Monaten "Wir haben die Zeit genutzt und einiges ausprobiert" (Musik und auch Online-Möglichkeiten), "aber jetzt freuen wir uns dass wir wieder hier sind". Und singt gemeinsam mit Sylvia Oswald "Die Frau am Fluss".
Später dann wird die Band komplettiert durch Carsten Apel (acc), Warnfried Altmann (sax), Matthias Geiße (p) und Gören Eggert (dr) . Auch in dieser größeren Besetzung und entsprechend kräftiger klingen die Lieder so verträumt schön, wie man es von Rühmann und seiner Band schon immer gewohnt ist. "Sommernächte haben es in sich", sagt Rühmann, "besonders diese, bei der die Stimmung so ganz besonders ist", und spielt "weit, so weit". Viele schon lange vertraute Lieder sind zu hören (November, Gib die Straße frei, Hiddensee, ...). "Komm tanz!" dagegen kannte ich noch nicht - hier klingt die Rühman-Band mit dieser immer wieder wiederholten Aufforderung wie eine Mittelalterband, die über die Tanzwut singt.
Wenn Rühmann in seinem Lied über Chagall singt "und der Tod ist noch sehr weit" - welche Lebensbejahung darin steckt, merkt man erst jetzt ganz besonders.
Am Ende dann das Lied, das die Rühmann-Band im vergangenen Jahr gemeinsam mit vielen anderen Magdeburgern als Video produzierte, um es als Hoffnungszeichen um die Welt zu schicken und Mut zu machen: "Auf die Farben, auf die Liebe, auf alles was lebt". Ja, genau so!
Am Ende des Konzertabends ist die Sonne gerade untergegangen und ein dünner Sichelmond hängt dicht über der Bühne am noch hellen Himmel. Mit "Weil Sommer ist" als Zugabe im Ohr gehen die Konzertbesucher an diesem lauen Sommerabend nach Hause. In einen Smmer hoffentlich voll von Musik, Theater und Kunst.
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