Samstag, 5. Juni 2021

Stummfilmkino zur blauen Stunde

Tobias Rank (Piano) und Gunthard Stephan (Geige) vom Wanderkino brachten die Zuschauer des Open-Air-Stummfilmabends zurück in die Zeit, als die Bilder das Laufen lernten und begeisterten sie mit der Kunst der Kinobegleitung mit Live-Musik.

Beinahe hätte der vorangegangene wolkenbruchartige Regen den Kinoabend unterhalb der Pechauer Kirche verhindert. Aber als die Kirchturmuhr neun schlug, hörte der Regen auf und Carsten Kriegenburg entschied, ja, wir machen den Kinoabend. Ein Abend auf den sich alle schon so sehr gefreut hatten, Künstler, Veranstalter und Publikum. Schließlich darf grad jetzt, nach den langen Monaten Corona-Pause, die Kultur endlich wieder mit öffentlichen Veranstaltungen beginnen. "Das ist hoffentlich der Anfang einer wieder normalen Zeit", wie Carsten Kriegenburg zur Begrüßung sagte.

Schnell wurden die Plastestühle trockengewischt, die Leinwand aufgespannt, die Getränke an der improvisierten Bar aufgebaut. Und dann konnte der Kinoabend beginnen. Diesmal gab es nur zwei Filme, zu Beginn "Vom Korn zum Brot", ein Unterrichtsfilm aus den 30er Jahren über das Leben auf dem Land, den Getreideanbau, das Mahlen und Brot backen. "Den Film hätte man auch hier drehen können", sagte Carsten Kriegenburg, "das gab es auch alles hier, bis hin zur Bäckerei im Dorf". Und er wies auch darauf hin, dass die beiden Musiker den Film zuvor noch nie gesehen hatten. "Das ist dann die große Kunst der Filmmusiker, auch eine völlig spontane Begleitung hinzubekommen." Kriegenburg, dessen Hobby das Sammeln alter Kinotechnik ist, erklärte dass er noch eine ganze Reihe solcher Filme habe.

Dieser erste Film hatte rein dokumentarischen Charakter und demzufolge auch keinerlei Spannungsbögen. Verglichen mit früheren Kino-Gepflogenheiten war er wohl so etwas wie die Wochenschau. Anders der Hauptfilm des Abends, "Steamboat Bill jr" (1928) mit Buster Keaton in der Hauptrolle, als etwas linkischer, aber herzensguter Sohn eines Dampferkapitäns, der am Ende noch Rettungstaten vollbringt und seine große Liebe findet. Großes Kino mit Drama, Witz und Herz. Und natürlich sehr viel Slapstick, umstürzende Häuser inklusive. "Und das alles ohne Stuntman", sagte Carsten Kriegenburg. "Wenn da eine Fassade auf den Helden stürzt und er unverletzt bleibt, weil da grad Fenster oder Türe sind, dann ist das live gefilmt und es bleiben nur wenige Zentimeter für ihn". 

Hier konnten Tobias Rank und Gunthard Stephan alle Register ihres Könnens ziehen, den Bildern zusätzliche Kraft durch die Musik zu geben, Dramatik oder Gefühl verstärken. Ein natürliches "Instrument" kam hinzu: die Frösche des gleich hinter der Leinwand gelegenen Pechauer Sees quakten und fügten so zusätzliche Klänge hinzu. Nicht unpassend für den Film, der am Ufer des Missisippi spielt. 

Noch vor einigen Jahren fand das Stummfilmkino am Pechauer Deich des Umflutkanals statt. Der neue Veranstaltungsort (nachdem am Deich Bauarbeiten stattfanden) unterhalb der Kirche ist vielleicht sogar noch besser geeignet. Denn das Gelände fällt dort Richtung See auf natürliche Weise leicht ab und hat so genau die richtige Neigung, um wie in einem Kinosaal von allen Plätzen gut sehen zu können. 

Am Ende des Abends stand der Dank der Pechauer Veranstalter an die Musiker – und an das treue Publikum, das nun schon zum 12. Mal zum Stummfilmabend kam, und das trotz des Wetters.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen