"Von Spiegel-Pfeifen und Tenororgeln" war das Konzert überschrieben. Zu hören waren Werke junger Komponisten. Das Konzert in der Gertraudenkirche Magdeburg war der Auftakt von Multiphonics, den Tagen der Jungen Musik des Musikalischen Kompetenzzentrums Magdeburg.
AuditivVokal Dresden
Leitung: Olaf Katzer
Ivan Terekhanov – Orgel
AuditivVokal Dresden unter Leitung von Olaf Katzer und Ivan Terekhanov (Orgel) |
Das Konzert begann mit einer Improvisation des 19jährigen Ivan Terekhanov an der Rühlmann-Orgel der Gertraudenkirche. Mächtige Orgelklänge aus allen Registern mit einem sanften Mittelteil. Auch im Anschluss spielte die Orgel eine wichtige Rolle, als Begleitung der Sängerinnen und Sänger oder als Soloinstrument. Die Sängerinnen und Sänger wechselten dabei stets zwischen Orgelempore und Altarraum. Das lockerte die Konzertatmosphäre auf und war angesichts der niedrigen Temperaturen wohl auch zum Aufwärmen nützlich.
Das Konzert war in zweifachem Sinn ein Gastspiel. Das Ensemble kam aus Dresden – auch die jungen Komponisten, im Alter zwischen acht und achtzehn Jahren, der jüngste war persönlich anwesend, kamen überwiegend aus Sachsen und sind dort Schüler*innen der Komponistenklasse Dresden. Ihre Werke waren allesamt Uraufführungen und viele von ihnen hatten erstmals die Möglichkeit, für Kirchenorgel und Vokalensemble zu komponieren.
Teils waren kurze musikalische Miniaturen zu hören, teils aber auch längere Stücke, bei denen Orgel und Vokalensemble gleichermaßen gefordert waren und die interessante und auch witzige Aspekte hatten. So wie gleich das erste Gesangsstück, am Beginn des Konzertes. Silas Geiert schrieb "... äh, ein Lied" speziell für AuditivVokal, als kleines Improvisationsstück. Aus dem Publikum heraus kommen nach und nach fünf Leute, in Straßenkleidung und mit Taschen und Rucksäcken. Allmählich fangen sie an zu singen, die Probe läuft nicht besonders und der Dirigent beklagt sich laut über "oh, diese schrecklichen Töne" – und lässt sich am Ende dennoch vom Publikum bejubeln. "Dass da auch ein Stück weit Schauspiel dabei war, dass Improvisation gefragt war, hat es für uns interessant gemacht", sagte Olaf Katzer nach dem Konzert.
Auch das letzte Stück des Konzertprogramms, "Die kaputte Tenororgel", war ein solches Singspiel. "Unsere Orgel ist kaputt", singen die Sänger verzweifelt, ersetzen ihre Töne durch Gesang (immer im Wechselspiel mit der tatsächlich intakten Orgel) und beschreiben dabei zugleich deren Aufbau. Am Ende steht ein jauchzendes "O ja" gemeinsam mit der Orgel.
Das Konzert bzw. die zugrundeliegenden Kompositionen waren gleich in zwei Jubiläumsjahre eingebettet. Die Komponistenklasse wurde 1982 gegründet und feiert in diesem Jahr ihr 40jähriges Jubiläum. 2022 ist auch das Gedenkjahr an Heinrich Schütz, einige Kompositionen entstanden in Anlehnung an "Schütz22". So waren auch Ansätze alter Musik zu erahnen, allerdings ohne dass sie tatsächlich im Vordergrund standen.
In vielen Stücken spielten die Komponisten mit den Möglichkeiten der Verbindung von Orgel und Gesang, sogar perkussive Elemente waren enthalten, wenn der Chor zu Rasseln oder ähnlichen Percussion-Instrumenten griff, etwa um im "Waldspaziergang" von Lilly-Marlen Bauer das raschelnde Laub zu imitieren. Julian Tadeus Balsukat baute in "In eines Pharaos Garten" orientalische Töne ein, wodurch mich der Gesang an alte georgische Gesänge erinnerte.
Interessant war auch Leonore Bichers musikalische Vertonung einer U-Bahn-Fahrt durch Berlin; im Gesang (auf Grundlage eines Gedichtes) wurden Teile der Technik und Namen von Stationen verwendet.
Andere Stücke kamen sehr still daher, wie das Schlaflied für einen Tiger von Cedric Haß (Tigerlein schlafe ein) oder bestanden aus einfachen Melodiefolgen für eine in romantischer Art gespielte Orgel, von Ben Weikelt.
Das Konzert mit seinen vielen unterschiedlichen und neuen musikalischen Ideen machte Freude zuzuhören. Und es zeigte, das neue Musik es wert ist, gehört zu werden.
Sonja Renner vom Musikalischen Kompetenzzentrum Magdeburg bei der Eröffnung von Multiphonics. |
"... äh, ein Lied" für fünf Sänger, einen Dirigenten und Orgel – ein lustiges Singstück mit viel Improvisation |
"Oh diese schrecklichen Töne!" |
Die Musikerinnen und Musiker und zwischen ihnen der jüngste der Komponisten, der 8jährige Manuel Timme aus Dessau. Von ihm erklang ein kleines Orgelstück. |
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