In brütender Hitze und unter der heiß strahlenden Sonne hält man es nicht lange aus, also weiter. Hoch zur Heidecksburg, was eigentlich der Empfehlung "keine Anstrengung bei Hitze" widerspricht. Auf der Burgterasse sitzt der Schotte Fred Morrison mit seinen Highland Bagpipes. Er begrüßt sein Publikum mit der Entschuldigung, außer "Schnitzel mit Pommes" kein Deutsch zu sprechen. Auf seinem großen Dudelsack spielt er schottische Tänze, auch wenn er dazu sagt, "I know, it's to warm to dance." Das Publikum bleibt auch tatsächlich auf der Wiese vor der Bühne sitzen, es ist wirklich zu heiß... Eine kleinere Flöte nutzt er für leisere, sanfte Töne, wie "the angel's layer" (die Heimat der Engel). Morrison spielt meisterhaft, und nicht nur Traditionals. Er mischt moderne Melodien in die alt bekannten, zuletzt gibt es Blue Grass auf dem Dudelsack gespielt. Mit seinem immer schneller werdenden Spiel reißt er seine Zuhörer trotz der Hitze mit.
Nebenan, auf der Großen Bühne der Heidecksburg, sind Mairearad und Anna gerade beim Soundcheck. Die beiden Schottinnen sind gerade vor wenigen Minuten vom Flughafen Berlin angereist. Mairearad Green mit Akkordeon und Dudelsack, Anna Massie mit Gitarre, Banjo und Geige spielen und singen schottische Melodien und Lieder – und zeigen, dass es schottische Musik auch abseits des Dudelsacks gibt. Mitunter wird dieser aber auch verwendet, einmal auch in Kombination mit dem Banjo ("das ist ebenso laut und aggressiv ist wie der Dudelsack", sagt Mairearad über die beiden Instrumente). Eine interessante Kombination! Später ein schottisches Hochzeitslied auf Geige und Akkordeon ("Wenn Musiker zu Hochzeiten gehen, dann nehmen sie eigens dafür geschriebene Lieder mit", heißt es dazu).
Von der Burg herunter wieder in den Heine-Park. Dort spielt die polnische Band Rebel Babel. Über die acht Musiker heißt es in der Ansage, "wenn man die bucht, weiß man nie, was man bekommt". Diesmal bekommt man als Zugabe noch das Orkiestra Slupska. Ein 30köpfiges Blasorchester, aus vorwiegend jungen Musikern. Die Musik der Band lebt dann auch nicht von großen Melodien, sondern vom imposanten Bläsereinsatz, der von Drums und tiefen Bässen unterstützt wird. Sänger Lukas Rostkowski versteht es, sein Publikum zu begeistern. Bei einem Lied teilt er das Publikum von der Bühne aus in die Himmelsrichtungen ein und dirigiert die Mitmach-Aktionen (Arme hoch!) mit den Worten "From the South to the West, from the North to the East", als Zeichen der Verständigung über die Himmelrichtungen hinweg. Er singt von den "positive moments of sonar", spricht von seinen Ersten Reisen in den Westen vor 25 Jahren (seiner Mimik, dem staunend offenstehenden Mund zufolge, muß das in seiner frühen Jugend gewesen sein), spricht über den Fall der Mauern, hält kurz inne und sagt "Rudolstadt lag auch auf der östlichen Seite des eisernen Vorhangs? Dann waren wir ja im selben Käfig".
Zurück in die Innenstadt. Auf dem Markt steht nicht nur die große Marktbühne, auf der gerade jetzt, abends um sechs, das Festival mit einer großen Revue eröffnet wird. Auf der anderen Seite gibt es über den Tag verteilt kleinere Aufführungen aus dem Straßenkünstler-Bereich. Begeisternd waren Monsieur & Pianistin Nora Born mit ihrem Programm Humor in schwarz-weiß. Monsieur (Andreas Grund), schwarz und weiß gekleidet und etwas verträumt-vertrottelt wirkend, läuft über die Spielfläche auf dem Markt, wendet sich ohne Worte an die Zuschauer, gibt ihnen Aufgaben (es ist manchmal nicht nur von Vorteil, in der ersten Reihe zu sitzen). Auf eine rührend altmodische Weise komisch, wie er seinen Gefühlen z.B. über unfolgsame Zuschauer Ausdruck verleiht. Pantomime wäre wohl nicht ganz zutreffend, was Monsieur darstellt. Eher ist es ein stummes Schauspiel, das aktiv die Reaktionen der Zuschauer einbezieht. Nora Born sitzt derweil am Klavier, ihr bleibt nur die Rolle der Begleiterin vorbehalten. Auf den Fotos ist die Pianistin nicht zu sehen – zu sehr zieht Monsieur alle Aufmerksamkeit auf sich. Im Zusammenspiel wirkt die Performance der beiden wie Stummfilm mit Live-Begleitung. Sehenswert!
Wie in der Geschichte vom Rübchen. Nur müssen hier die Leitern gehalten werden, damit Monsieur auf einem Seil balancieren kann. |
Es hält tatsächlich. |
Abends hinüber in den Park, zur Großen Bühne. Rupa & The April Fishes kam als Vertreterin des "anderen Amerika", wie sie es selbst bezeichnete, der "99 Prozent, die nicht die aktuelle Regierung wollen". "Ich war schon oft in Deutschland", sagte sie, "aber diesmal riecht es hier so eigenartig, irgendwie nach Müll und Abfall – Donald Trump ist in Deutschland". Ihre Musik ist von amerikanischer Folk-Music ebenso beeinflußt wie von spanischen Klängen und französischer Musette. Ihre Texte sind oft politisch, greifen aktuell diskutierte Themen auf. Sie berichtet von Konzerten, mit denen sie Navarro in ihrem Kampf gegen die durch einen Ölpipeline drohende Trinkwasserverschmutzung unterstützte. "Als ich bei den Großmüttern der Navarro stand und sah, wie schwer bewaffnete Soldaten Gummigeschosse auf die indigene Bevölkerung feuerten, das erinnerte mich an Bilder von Afgahnistan", sagte sie.
Auf der Konzertbühne iam entgegengesetzten Ende des Heineparkes stand die Dresdner Banda Internationale auf der Konzertbühne. Auch hier zeigt sich, dass das Rudolstadt-Festival immer wieder auch politisch geprägte Musik im Programm hat. Wie Michal Tomaszewski zu Beginn erklärte, schlossen sich die Musiker vor einigen Jahren zusammen, um gegen die rechten Aufmärsche am 13. Februar anzuspielen. Später folgten Auftritte jeden Montag gegen die Pegida-Demonstration. "Wir versuchten, noch etwas mehr zu tun und gingen in Flüchtlingsheime, nahmen geflüchtete Musiker in die Band auf". In dieser großen Besetzung spielen sie kräftige, von Bläsern geprägte Musik in der Art italienischer Blaskapellen.
Zwischendnurch nochmal in die Innenstadt. Auf der Marktbühne spielte die schottische Band sketch. Akustische Instrumente (Dudelsack, Flöte, Geige, Gitarre) wurden elektronisch gesampelt, geloopt, verfremdet. Dazu schneller schottischer Gesang. Schottische Traditionals wurden in ein neues Gewand gesteckt – und das klang durchaus anhörbar. Laute Elektroklänge und Stroboskoplicht auf offener Bühne bis weit nach Mitternacht, Hochachtung dafür – daß das die Rudolstädter mitmachen.
Der Konzertabend klang im Heinepark bei La Mambanegra aus. Lateinamerikanische Musik mit einer begeisternden Bühnenshow.
Ich wiederhole mich. Deine Fotos strahlen Atmosphäre aus. Großartig
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