Samstag, 8. Juli 2017

TFF Rudolstadt – Sonnabend

Zum Rudolstadt-Festival gehört immer auch der Tanz. Auf der Marktbühne trat das Ensemble Gero Axular Kultur Taldea auf, eine baskische Gruppe von Musikern und Tänzern/Tänzerinnen (aus der über 200köpfigen Tanzkompagnie kamen etwa 30 nach Rudolstadt), die in ihren teils prunkvollen, teils dörflich schlichten Trachten alte baskische Musik und Tänze am Leben halten. Interessant und sicher auch für viele früher sehr abgelegene Gegenden typisch: neben Paartänzen wurden oft auch als Waffen nutzbare Gegenstände, Stöcke, Schwerter usw. in die Tänze eingebaut – um die Wehrhaftigkeit der Dorfbewohner öffentlich zu zeigen (oder auch, daß sich die Frauen verteidigen können). Begleitet wurden die Tänzer von Akkordeon und Flöten.


Ein Stück weiter, auf dem Handwerkerhof: The Wildfires. Paul Bonin (GB) und Elizabeth Carlton (Tennessee) verbinden die Musiktraditionen beider Länder zu einem Brit-Folk-Pop mit harmonischem zweistimmigen Gesang.


Der Handwerkerhof ist eine der Spielstätten, an denen wir der Enge wegen nur kurz verweilen. Eigentlich eine sehr schön gelegene Spielstätte, klein, anheimelnd und gemütlich. Nur eben nicht für hunderte Zuschauer gemacht. Also ging es auch gleich weiter zum Neumarkt. Auch dort wird es vor der Bühne sehr eng, weil einfach die Breite fehlt (der Neumarkt ist nicht breiter als vielleicht zwei Wohnhäuser und wird auch an den Seiten durch Häuser begrenzt – wer dort also hin will, geht am besten bereits kurz vor Konzertbeginn hin, um einen guten Platz zu bekommen).

Auf dem Neumarkt spielte Prinz Chaos II, gemeinsam mit der Geigerin Anna Katharina Kränzlein, die unter anderem mit ihrer Band Schandmaul bekannt wurde. Mit Prinz Chaos II ist sie gemeinsam unter dem Titel Rebellische Saiten unterwegs. Die Musik klingt nach Deutsch-Folk, durch die Geige auch oft gefühlvoll, auch an Volkslieder erinnernd. Die Texte dazu sind teils romantisch, teils kräftig und rebellisch. Das Programm beginnt mit einem Lied über den Wald ("Laß die Bäume wieder groß werden"), anschließend ruft Prinz Chaos II dazu auf, in diesem Sinn auch keine Möbel, keine Instrumente von der Stange zu kaufen, sondern dem Schreiner und Tischerler und dem Instrumentenbauer vor Ort die Chance zu geben, zu zeigen, was er kann. "Ihr seid ja auch keine Menschen von der Stange", sagt er.

Prinz Chaos, der schwul lebt und mit seinem Lebenspartner verheiratet ist, singt über Schwule, über Klischees, über ihre vermeintliche "Integration" ("Ihr wollt uns tanzen sehn... Ihr braucht uns als Bürgermeister"). Er zeigt in seinen Liedern aber auch sehr deutlich seine linke politische Position. Etwa wenn er musikalisch an Rudi Englhofer, einen der Anführer der Münchner Räterepublik, erinnert, in die Musik auch die Internationale mischt und später sagt, "Ihr werd's schon sehn, München steht auch wieder auf".



In der Fußgängerzone spielen überall kleinere Bands Straßenmusik, hier eine polnische Band.


Auf dem Weg in den Park kurz auf dem Marktplatz bei Lauscher angehalten. Deutsche und jiddische Volkslieder, auch eine jiddische Version der "zehn kleinen Negerlein", die alle auf unterschiedliche Weise ums Leben kommen.



Auf dem Weg in den Heinepark am Kinderfest vorbeibekommen, wo gerade der Umzug begann. Allen voran eine bunt kostümierte Samba-Band, Clowns und Stelzenläufer.


Die Bühne an den Bauernhäusern wurde glücklicherweise hinter die Bauernhäuser verlegt, auf eine Streuobstwiese mit alten Apfel- und Birnbäumen. Am bisherigen Standort war viel zu wenig Platz, hinter den Häusern ist sie auch etwas abgeschirmt vom Soundcheck auf der Großen Bühne des Heineparks (der aber dennoch weiterhin stört).

Am Nachmittag spielte Unfolkommen an den Bauernhäusern. Alte und neu gedichtete Lieder, Folk im schönsten Sächsisch. In Bänkelsänger-Manier erzählen die drei Leipziger Musiker Geschichten aus Sachsen, singen Lieder im Stil Otto Reutters. Nur schade, dass die Musiker unverstärkt auftreten. Wir haben bereits einige mal erlebt, dass die Musiker anscheinend nicht mitgeteilt bekamen, dass sie zu dieser Bühne eigene Verstärkertechnik mitbringen müssen. Auch wenn die drei Sänger sehr kräftig singen, das Publikum ist darauf angewiesen, sehr leise zu sein und aufmerksam zu lauschen.

Es geht auch ohne Kamera...

Auf der Konzertbühne im Park trat die österreichische Band Alma auf, Ruth-Preisträgerin 2017.  Akkordeon, Geige und Baß bestimmen die Musik, kräftige Borduntöne, Gesang, der seine Wurzeln irgendwo auf dem Balkan zu haben scheint. Und durchaus mit Humor, wenn die Sängerin "Don't eat my salad" singt, damit die Schnecken meint und über diverse Tötungsmethoden sinniert. Jazz vermischt sich mit Schrammeln und Jodlern.


An der Großen Bühne gehen wir im Anschluss nur kurz vorbei, Humanophones aus Frankreich. Gesungene Lautmalerei und Wortspiele, ab und zu kommödiantische Züge.


Auf der Marktbühne: das Trio da Kali.


In der Freiligrathstraße spielt das Frauentrio just4now irische Musik.


Auf dem Theaterplatz spielt Heinz Ratz mit seiner Band Strom und Wasser. Der Musiker, der bei vielen Protestveranstaltungen dabei ist, greift gleich in seiner Anmoderation Ereignisse in Hamburg auf, als er sagt, "Was da passiert ist, macht mich fassungslos. Wenn da Autos angezündet werden, hat das nichts mehr mit berechtigtem Protest zu tun". Aber er wendet sich auch deutlich gegen den Polizeieinsatz gegen friedliche Demonstranten und sagt später, "Angela Merkel sitzt in der Elbphilharmonie, während draußen Leute verprügelt werden". In seiner Musik bezieht er deutlich Stellung gegen rechts ("Ihr seid nicht das Volk", heißt es etwa in einem Lied). Ratz berichtet über das von ihm gemeinsam mit Konstantin Wecker gegründete Büro für Offensivkultur, das er als Zusammenschluss von Künstlern,  Veranstaltern, Unterstützern sieht, die mithelfen, Musik und Kunst im öffentlichen Raum zu veranstalten.


Im Tanzzelt spielt das deutsch-niederländische Cuartetto Rotterdam. Auf dem Programm des Tanznachmittags steht Tango. Das Zelt ist voller Tänzer, die sich zu den schwungvoll-melancholischen Klängen des Quartetts bewegen. In der Besetzung mit Klavier, Akkordeon, Violine und Baß klingt die Musik herrlich nostalgisch.


An der Konzertbühne auf dem Weg rauf zur Burg mal kurz bei La Dame Blanche vorbeigeschaut. Dahinter verbirgt sich die kubanische Sängerin  Yaite Ramos Rodriguez mit ihrer Band. Karibischer Hip-Hop mit Elektronik.


Am Abend dann die Verleihung der Festival-Preise, der Ruth, die es gleich in vier Varianten gibt. Der Hauptpreis geht an Georg Ringsgwandl, der statt einer sehr kurz ausgefallenen Dankesrede (die sich auf "Ich fühle mich geehrt" beschränkte) gleich im Anschluß ein Konzert gab. Ringsgwandl steht auf der Bühne und erzählt in seinen Liedern Geschichten aus der bayerischen Provinz, die sich als eine Provinz erweist, die es ebenso auch in Sachsen oder Thüringen oder sonstwo in Deutschland geben dürfte. Mitunter erfordert sein Humor dann aber doch etwas Kenntnis von lokalen Besonderheiten. Etwa wenn er von der Oberpfalz als dem "am meist unterschätzten Landstrich" berichtet und im Refrain von "da ganz weit hinten in der Oberpfalz singt", also dort wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Wenn das in die philospohische Lebens-Frage "war's das jetzt schon oder kommt da noch was" mündet, dann gleicht das schon wieder einer heimlichen Liebeserklärung an die Provinz, leise und sanft. Sein melancholischer Blues "In meinem nächsten Leben werd' ich ein Kater" steht gerade auf der Liederbestenliste und war ebenfalls zu hören. Ringsgwandl, der sich selbst als "alten Grantler" bezeichnet, singt "wo alle drüber lachen, da bin ich daheim". Melancholischer Blick auf einen, der schon immer ein bischen anderes war.


Den Abend lassen wir auf der Großen Parkbühne mit Musik von Antony Joseph ausklingen. Der Musiker aus Trinidad mischt kräftigen Karibik-Sound mit Jazz-Elementen. Bässe dröhnen durch die Nacht, uns zwar zwei Nummern zu laut, aber musikalisch sehr gut und voller Sommer-Stimmung. Antony Joseph wirbelt auf der Bühne herum, treibt seine Musiker immer wieder an. Mitreißend!


1 Kommentar:

  1. Deine Berichte zu lesen, deine Fotos anzuschauen ist wohltuend. Danke!

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