Schon zum zehnten Mal hatten Claudia und Carsten Kriegenburg das
Wanderkino zur Stummfilmnacht nach Pechau eingeladen:
Tobias Rank – Piano
Gunthard Stephan – Geige
In ihrem fast 50 Jahre alten Magirus-Deutz-Feuerwehr-Oldtimer fahren die beiden Musiker jeden Sommer quer durch Deutschland, auch Nachbarländer im Süden und Norden bis jenseits der Ostsee stehen regelmäßig auf dem Tourplan. Nach Pechau brachten sie diesmal einige Kurzfilme von Larry Sermon (u.a. The Hunter, The Sportsmen) und Charly Chaplin (Kid's Car Race in Venice) mit und einen längeren Film von Buster Keaton (Seven Chances).
Normalerweise findet die Stummfilmnacht auf der Wiese des Umflutkanals statt, mit dem Deich als erhöhte Sitzgelegenheit. Der Deich ist zur Zeit Baustelle, deshalb zog das Kino auf eine Wiese am Pechauer See, unterhalb der Kirche um, in eine ebenfalls wunderbare Naturkulisse. Carsten Kriegenburg freute sich, daß auch an den Ausweichstandort so viele Besucher kamen. "Kino hatten wir hier ja auch schon gezeigt", sagte er, "für den Stummfilm ist es eine Premiere". Er wies auf das zehnjährige Jubiläum der Stummfilmnacht in Pechau ebenso hin wie darauf, daß Tobias Rank und Gunthard Stephan seit inzwischen 19 Jahren mit ihrem Stummfilmkino unterwegs sind. Und blickte damit schon auf 2019 voraus: "Im nächsten Jahr können wir dann die 'Schnapszahl' 11 Jahre Stummfilmkino in Pechau und das 20. Jubiläum des 'Wanderkinos' feiern". Auch über "sein" Pechauer Publikum freute er sich: "es bleibt kein Müll auf der Wiese und es fehlt fast kein Weinglas, und wenn doch, dann steht es am nächsten Morgen vor meiner Haustür, mít einer Spende für das Kino darin". Apropos Spende: die Kinonacht wurde auch in diesem Jahr mit freiem Eintritt durchgeführt und über freiwillige Spenden (eine Spendenbüchse – die auch benutzt wurde – stand am Weintresen) finanziert. Dort gab es nicht nur Getränke – viele Pechauer Familien hatten Pizzas gebacken und mitgebracht. Andere hatten im Vorfeld beim Aufbau (und tags drauf dann beim Abbau) geholfen, gekühlte Getränke herangeholt oder halfen bei der Versorgung der Besucher mit Speisen und Getränken.
Das Programm war zweigeteilt. Die erste Hälfte galt kurzen Film-Miniaturen mit dem typischen Slapstick-Charakter der Anfangsjahre des Films. Bei den Filmen von Larry Sermon hatten Jäger jede Menge Pech, es ging sehr viel Porzellan zu Bruch, kurze Filme voller Situationskomik und Klamauk. "Kid's Car Race in Venice" (1914) war der erste Film, in dem Charlie Chaplin in seinem typischen Aussehen (schwarzer Anzug, Melone, Stöckchen und kleiner Schnauzer) auftrat. Nicht unbedingt ein Meisterwerk, eher eine Anreihung von unterschiedlichen Arten, einem Kameramann im Bild herumzulaufen, der gerade ein Seifenkistenrennen filmen möchte. Aber schon mit der typischen Chaplin-Art.
Nach der Pause war "Seven Chances" mit Buster Keaton beinahe schon ein Spielfilm, natürlich mit der stummfilmtypischen Komik. Buster Keaton, dem finanziell das Wasser bis über den Kopf steht, erbte von seinem Onkel 7 Millionen Dollar (zu der Zeit eine noch wahnsinnig höhere Summe als heute). Aber nur, wenn er bis zu einem Stichtag verheiratet sei. Das wäre nicht weiter schlimm, hätte er davon nicht erst viel zu spät, erst am festgesetzten letzten Tag erfahren. Ihm blieb nur bis abends um sieben Zeit, eine Frau zu finden. Eigentlich stand seine Auserwählte schon fest – und daß er seine Mary fragt, "willst du mich heiraten", wäre noch ganz normal. Wenn er ihr aber erklärt, "ich muß bis heute abend verheiratet sein, mit
irgendeiner Frau, also frage ich dich" – dann war dies das falscheste, was man einer Frau sagen kann... Diese Chance ist also vertan, auch andere Frauen sagen nacheinander ab, also schalten seine Geschäftspartner eine Anzeige in der Nachmittagszeitung: "Zukünftiger Millionär heiratet die erstbeste, die in der Kirche als Braut erscheint". Alles weitere – bis zum natürlich am Schluß folgenden Happy End – ist dann voller Komik, mit einer wilden Verfolgungsjagd hunderter Bräute und einer wilden Flucht des Bräutigams.
Es war wunderbar zu erleben, wie gut die alten Filme auch heute noch wirken. "Dazu braucht es unbedingt auch Musiker wie Tobias Rank und Gunthard Stephan, die mit ihrem Können die Filme neu zum Leben erwecken", sagte Carsten Kriegenburg, als er nach einem großen Applaus des Publikums am Ende des Kinoabends die Kinomusiker verabschiedete. Ich hatte beim Nachhausefahren und noch lange Zeit danach die Klänge von Klavier und Geige im Ohr, mit denen Tobias Rank und Gunthard Stephan die Filme begleiteten.
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Feuerwehr-Oldtimer in der Elbaue |
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Pechauer sorgen für Verpflegung (mit einer
vielfältigen Pizza-Auswahl) und Getränke |
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Carsten Kriegenburg begrüßt die Besucher |
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Gunthard Stephan richtet den Projektor ein... |
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Film ab! Dann ein letzter Blick, ob alles richtig läuft ... |
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... und die Verzauberung des Publikums beginnt |
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Kino in der Elbauenlandschaft |
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Buster Keaton vor einer schweren Wahl... |
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