Samstag, 31. August 2019

Pretziener Musiksommer: Sofja Gülbadamova

Die Pianistin Sofja Gülbadamova gehört schon seit Jahren zum festen Programmbestandteil des Pretziener Musiksommers. Diesmal hatte sie Musik im Programm, die sie im engeren oder weiteren Sinn unter das Thema "Wald" stellte.


Vor Beginn ihres Klavierabends spricht Sofja Gülbadamova über das Thema des heutigen Programms und über die Komponisten. Spricht über Robert Schumann, der während der Komposition seiner Oper Genoveva Bilder und Stiche zum Thema Wald an den Wänden hatte, die ihm vielleicht auch bildliche Inspiration zu den späteren Waldszenen waren. Aus diesen Waldszenen hebt sie eine besonders hervor, den Vogel als Prophet. "Es ist eine ganz besondere Musik", sagt sie, "der Welt würde etwas fehlen". Auch über Josef Suk spricht sie, den Schwiegersohn Antonín Dvořáks, der seinen bekanntesten Kompositionen erst schuf, nachdem er kurz nacheinander seine Frau und den von ihm verehrten Schwiegervater verlor. Die von ihm zu hörenden Stücke, ein Liebeslied und weitere romantische Kompositionen, stammten aus einer früheren Schaffensperiode, waren fröhlicher Natur.

Als sie ihren Klavierabend beginnt, setzt sich Sofja Gülbadamova konzentriert an den Flügel, wartet auf die völlige Stille in der Kirche, darauf dass auch das letzte Rascheln der Programmzettel verstummt. Dann beginnt sie mit Josef Suks Liebeslied, mit leisen Tönen im tiefen Bass. Leise schmachtende Töne, die bald wilder, exstatischer Freude Platz machen.

Von Edward Grieg sind drei völlig unterschiedliche Stücke zu hören, die doch zusammen gehören (aus seinen Stimmungen op. 73). Auf eine volltönende Etüde folgt ein Volkslied, ein fröhliches Scherzo und – passend zum Thema – die musikalische Nachbildung eines Vögleins.

Die Waldszenen Robert Schumanns stellen den Hauptteil des Abends dar. Beginnend mit dem Eintritt in den Wald entwirft er ein musikalisches Bild des Waldes, in dem auch die Jäger auf der Lauer liegen – mit unvermittelt lauten Stellen als Schüsse der Jäger: der Jäger erscheint als Störfaktor im Wald, der alles aufscheucht, aber auch als der eigentliche Herscher des Waldes. Schumann führt den Wanderer in die freundlichen Stellen des Waldes ebenso wie zu düsteren, in denen Geister über dem Morast schweben. Es ist beim Hören sehr hilfreich, sich an den beschreibenden Bezeichnungen der Stücke im Programm zu orientieren: die Musik bekommt dadurch einen bildhafte Gestalt. Da kommt dann auch gleich der Vogel als Prophet dahergeflogen, der bei Schumann in Molltönen singt.

An dieser Stelle ist ganz unbemerkt schon eine Stunde des Programms verklungen. Die Besucher hatten ohne Pause, auch ohne Zwischenapplaus, der Musik gelauscht. Sofja Gülbadamova freut sich darüber, dass das Publikum so aufmerksam zuhört, lässt auch selbst zwischen den Stücken, wenn sie mit geschlossenen Augen am Flügel sitzen bleibt und die letzten Töne ausklingen lässt, deutlich erkennen , dass sie jetzt keinen Applaus möchte. "Es würde mich aus meiner Konzentration, aus meinem Gefühl für die Musik bringen", sagt sie später auf meine Frage danach, "so wie auch alle anderen Störungen zwischendurch". In Pretzien gab es diese aber nicht, da achtete das Publikum schon selbst drauf.

Vor dem zweiten Teil des Programms gab es eine weitere kurze Erklärung von ihr. Diesmal zu Edward Grieg, "obwohl man zu Griegs Musik eigentlich doch kaum etwas erklären muss", wie Sofja Gülbadamova sagte und dann doch noch eine Anmerkung zu dessen Hochzeit auf Troldhaugen hatte: "Das war eigentlich Griegs Silberhochzeit und es kamen dazu viel mehr Gäste als geplant, was in eine Katastrophe auszuarten drohte. "Heute würde sich ein Veranstalter so etwas – einen überlaufenen Konzertsaal – wünschen", fügte sie hinzu, und "Der Musik nach muss es doch ein sehr glücklicher Tag gewesen sein".

Die Musik wird aber zunächst mit Griegs An den Frühling fortgesetzt, leise beginnend und allmählich wilder werdend, bis dann ein wahrer Frühlingssturm losbricht. Josef Suks dann folgende Stücke mit ihrer romantischen Stimmung, die mal kräftig, mal tänzerisch beschwingt daherkommen, ordnen sich da gut ein. Griegs Hochzeitsstück ist das bekannteste des ganzen Abends, wohl auch eines der bekanntesten  von Grieg. Kräftige Klänge hallen durch die kleine romanische Kirche, wenn Sofja Gülbadamova mit vollem Einsatz die ganzen Kraft ihres Körpers in ihren Händen umsetzt, sich geradezu auf die Tasten stürzt. Dann wieder die das Stück prägenden Melodien mit der Fröhlichkeit eines Sommertages. Herrlich! Nebenbei bemerkt: so konzentriert habe ich dem Stück selbst auch noch nie zugehört – für mich war es bisher eben eines der gern und oft gespielten.

Als Zugabe gibt es Ludwig van Beethovens Bagatelle aus op. 119. "Ohne Beethoven wäre das Konzert in dieser Form wohl gar nicht zustande gekommen. Erst Beethoven hat die Gattung der Klavierminiatur erfunden", sagt Gülbadamova. Beethovens Musik klingt wesentlich strenger komponiert, hat nicht die Verspieltheit der vorherigen Stücke. Eine zweite Zugabe noch (aus Ernst von Dohnanyis Suite im Alten Stil), dann gehen die Konzertbesucher hinaus in den um sieben Uhr immer noch über 30 Grad heißen Sommerabend.


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