Ralf Benschu kam zum Reformationskonzert nach Glinde. Wie schon sehr oft (zum wievielten Mal eigentlich?) gab er dem Reformationsabend eine musikalischen Ausklang. Benschu kommt beinahe jedes mal in wechselnder Besetzung, diesmal mit zwei Begleitern auf Cello und Klavier.
Ralf Benschu – Saxophon
Michael Hochreither – Violoncello
Jens Goldhardt – Klavier
Das Konzert stand ganz im Zeichen von Astor Piazolla. "Wir haben seinen hundertsten Geburtstag (Anm.: am 11. März 1921) zum Anlass genommen, ein Konzert mit seinen Stücken zu gestalten", erklärte Jens Goldhardt den Besuchern. "Als Verbindung zwischen den Stücken, auch von anderen Kompositionen, haben wir Sätze aus seinem Jahreszeiten-Zyklus genutzt". Passend zum Reformations-Jubiläum brachte er auch ein Luther-Zitat an: "Musica ist das beste Labsal – und auch für ist es ein Labsal, hier zu sein".
Das Konzert begann mit Close your eyes and listen, einem ungewohnt leisem und lyrischen Stück von Piazolla. Die Jahreszeiten, erst der Frühling, später dann der Sommer, Herbst und Winter, klangen dann schon mehr nach dem, was man vom großen argentinischen Komponisten kennt. Tangos, aus denen man zuweilen auch Zitate von Vivaldi heraushören konnte (oder täuschte mich mein Ohr, weil Vivaldi gedanklich so naheliegt, wenn man an musikalische Jahreszeiten denkt?). Also Tangos, wie nicht anders zu erwarten – und doch etwas weniger tänzerisch, eher lyrisch und verspielt. Spätestens beim Winter, dem ruhigsten Stück des Zyklus, kam mir der Gedanke daran, dass ja in Argentinien, auf der Südhalbkugel, die Jahreszeiten andere sind als bei uns: dort beginnt gerade der Frühling, während in der Glinder Kirche der von Helmut Fabian angeheizte Ofen etwas Wärme spendete.
Ein Ave Maria von Gounod erklang, eine Variation über das so bekannte, in diversen Klassiksendern totgedudelte Thema von Johann Sebastian Bach. Bei Gounod und in der Interpretation von Benschu und seinen Freunden bekam es durch Benschus Saxophon neue Facetten. Benschu spielte teils sogar gegenläufig zu den beiden anderen. Ein weiteres Ave Maria setzten die Musiker hinzu, eines von Piazollo. Und dieses klang so gar nicht nach Piazolla, wurde mit zurückhaltender Melodie gespielt, leise wie ein Wiegenlied. Auch ein Stück jüdische Musik stand auf dem Programm, "Andante religioso über ein hebräisches Thema", von Fernand Halphen. Dazu nahm Benschu seine Bassklarinette, spielte sie mit dunklen warmen Tönen.
Vor der Zugabe, einem Walzer (wie ungewöhnlich!) von Piazolla spielte Benschu "Hilf Herr meines Lebens", was er, wie er später sagte, schon seit vielen Jahren ans Ende seiner Konzerte setzt. Ein Lied aus dem Gesangbuch (Nr. 419), in dem es heißt: Hilf, Herr meines Lebens / dass ich nicht vergebens, / dass ich nicht vergebens / hier auf Erden bin. Zugegeben, ich hab's schon oft von Benschu gespielt gehört. Und obwohl mir meist wenigstens so halbwegs der Text dazu einfällt, höre ich doch jedesmal in der Melodie Teile von "Hit the road, Jack" heraus ("no more, no more, ..."). Ein Zufall, frage ich Benschu nach dem Konzert. "Nein", bestätigt er, "da stecken schon teils die selben Tonfolgen drin, da liegen solche Interpretationen nahe". Und nun kann ich mit einem Wurm im Ohr nach Hause gehen.
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