Oliver Schneller – Komposition
Franz Danksagmüller – Orgel
Mendelssohn Kammerorchester Leipzig
Manuel Nawri – Dirigent
Henrik von Coler – Klangregie
Das Mendelssohn Kammerorchester Leipzig spielt in der Konzerthalle "Georg Philipp Telemann" im Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg |
Die Sätze von "Die unendliche Feinheit des Raumes" lehnen sich an die Kapitel aus Guerickes auf Latein verfasssten Buch (originale Kapitelbezeichnungen in Klammern) an, das insgesamt ein Abriss der kosmischen Physik der Zeit Otto von Guerickes ist:
I. Die Welt und ihr Bau (De Mundo ejusque Systemate)
II. Der leere Raum (De Spatio Vacuo)
III. Eigene Versuche (De Propriis Experimentis)
IV. Kosmische Kräfte (De Virtutibus Mundanis & aliis rebus independentibus)
V. Erde und Mond (De Terraqueo globo ejusque Socia quae vocatur Luna)
VI. Unser Sonnensystem (De Systemate Mundi nostri Planetario)
VII. Die Fixsternwelt und ihre Grenzen (De Stellis Fixis & Eo quod finit Eas)
Oliver Schneller hat sein siebensätziges Werk ebenso aufgebaut wie Guerickes Beschreibung des Kosmos und der planetaren Welt. Er berücksichtigt die Vorstellungen des Denkens Guerickes, der aus seinen Untersuchungen von Wechselwirkungen der Kräfte Rückschlüsse auf kosmische Zusammenhänge zog.
Am Anfang stehen düstere Klänge von Bläsern und Streichern in einem gewaltigen Umfang, sicher auch von der Orgel, die aber kaum gegen die Kraft des Orchesters ankommt und nur hin und wieder hindurch zu hören ist. In diesem großen Klanggemisch mag man das gleichzeitige Existieren aller nur möglichen Welten vor dem Urknall erkennen, einen Schöpfungsmythos, die große Masse, aus der sich unser Universum mit den Galaxien, Sonnen und Planeten formte.
Ganz anders dann der zweite Satz. In der Atmosphäre des großen halligen Kirchenschiffes ist quadrophonisch das Plätschern von Wasser zu hören, prasseln kleine Steine von irgendwoher herunter, später mischen sich helltönende Glockenklänge in die Lautsprechersignale, die zum Teil direkt auf Guerickes Versuche mit Luft und Wasser zurückgehen und zum Teil aus der Lukasklause und dem Kulturhistorischen Museum Magdeburg stammen. Auch die Beschreibung von Guerickes Experimenten im dritten Satz wird klanglich durch Einspielungen technischer Geräusche umgesetzt, die sich in den Orchester- und Orgelklang mischen.
Im vierten Satz haben die Musiker eine einzige lange Pause auf ihren Notenblättern zu stehen. Die Töne kommen komplett aus den Lautsprechern. Sphärische Töne, kurzes Aufblitzen von kleinen piepsenden Tonfolgen: Weltraumklänge – als solche ordnet man sie nach dem Schauen so vieler Science-Fiction-Filme, dem Hören von Weltraumabenteuern im Radio unweigerlich ein, auch wenn man natürlich weiß, dass im luftleeren Raum keine Tonübertragung möglich ist – durchziehen die romanische Klosterkirche.
Zurück auf der Erde wird die Musik wieder ruhiger, vielleicht: geerderter, als zu Beginn. Im fünften und sechsten Satz kommt auch die Orgel wieder verstärkt zur Geltung. Im abschließenden siebten Satz, als die Weltbeschreibung an ihr Ende stößt, in der Sphäre der Fixsternwelt ankommt, mischen sich Glocken und Töne wie einer Glasharmonika in die nun wieder an klassischen Vorbildern orientierte Musik. Nach einem wie zu Beginn äußerst kräftigen Orchestereinsatz klingt die Musik leise aus, mit gleichsam in die Unendlichkeit hinein ausklingenden Streichern.
Die unterschiedlichen Sphären von Erde und Himmel sind für viele Menschen faszinierend, immer wieder auch für Musiker. Oliver Schnellers Komposition ordnet sich für mich ein in eine Reihe von Werken, die sich mit dem Weltall beschäftigten, seien es die Planeten von Gustav Holst oder Karlheinz Stockhausens Sternkreis-Zyklus. Schneller fügt hier nun der musikalischen Welt die Gedanken- und die Klangwelt der Physik hinzu. Mit der Konzerthalle in der Klosterkirche fand das Festival einen wunderbar passenden Aufführungsort.
Das Programmheft zum Konzert finden Sie hier.
Oliver Schneller (links) beim Schlussapplaus |
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